Weltwoche Kommentar 5/24

Kommentar

Trump, Europas letzte Hoffnung?

Meine wahre Schönheit liegt darin,
dass ich steinreich bin.
Donald J. Trump
V

ielleicht liege ich falsch, aber das anschwellende Trump-Bashing in unseren Medien und in der Politik lässt aufhorchen. Einige befürchten schon das Allerschlimmste, sollte der «Orangenmann» ins Weisse Haus zurückkehren. Liest man die Berichte und Prognosen, könnte man meinen, Europa sei während der Amtszeit Trumps von der Beulenpest verwüstet worden. Das Gegenteil war der Fall.

Unter Trump ging es Europa, ging es der Welt, ging es der Schweiz besser. Die grösste Quelle der Aufregung waren, weil es an anderen Problemen offenkundig mangelte, gelegentliche Tweets des mitteilsamen Präsidenten. Die US-Wirtschaft brummte. Den Deutschen lief es so hervorragend, dass sie sich noch 2021 den Luxus ihrer Ampelregierung glaubten leisten zu können.

Die unbeschwerten Tage sind vorbei. Mit dem Amtsantritt von Trumps Nachfolger Joe Biden begann das Unheil. Ich behaupte nicht, Trump habe alles richtig gemacht. Mit dem Ausstieg aus dem Vertrag gegen Mittel- und Kurzstreckenraketen verschärfte er 2019 die Rüstungsspirale des Misstrauens gegen Russland. Aber hätte Putin den Angriff auf die Ukraine gewagt, wäre Trump noch im Weissen Haus gesessen? Kaum.

Aus Gründen, die Psychologen erforschen müssen, waren massgebliche Teile unserer Öffentlichkeit von Anfang an fast religiös, fanatisch gegen den früheren Baulöwen. Selbst wenn er vernünftige Dinge sagte, etwa, dass die Deutschen ihre Militärausgaben steigern sollten, knallte ihm eisiger Spott entgegen. Den Medien gingen die Gäule durch: Trump, «der Zerstörer», als Feuerball oder Terrorist, der die Freiheitsstatue köpft.

Kann man von einer Publizistik, die solche Entgleisungen feiert, erwarten, man werde heute korrekt informiert über die amerikanische Innenpolitik? Es ist fast schon wieder bewundernswert, mit welch entwaffnender Offensichtlichkeit unsere Zeitungen und Fernsehsender beim Thema Trump alle Hemmungen ablegen, infantilisierter Gefühlsjournalismus, dem Fakten weitgehend egal sind.

Erinnert sich noch jemand an jenes schlüpfrige Dossier, in dem Trump beschuldigt wurde, aus Anlass eines Russlandbesuchs – Putin! – Pornopartys mit Prostituierten gefeiert zu haben? Die US-Demokraten setzten für vierzig Millionen Dollar Steuergeld einen Sonderermittler ein, der nichts herausfand, ausser, dass das Dossier ein Betrug war, finanziert von Hillary Clintons Wahlkampfbüro. Unsere Medien glaubten es trotzdem.

Bis heute haben die Linken nicht verwunden, dass es Trump jemals ins Weisse Haus schaffte. Fast jeden miesen Trick probierten sie, um den rechtmässig Gewählten aus dem Amt zu kegeln. Wen wundert es, wenn nach wie vor Millionen von Amerikanern felsenfest davon überzeugt sind, bei den letzten Wahlen seien Trump und dessen Wähler massiv betrogen worden? Zuzutrauen wäre es den Demokraten allemal.

Muhammad Ali der Politik, Grossmaul, der Mann mit den unglaublichen Austeiler- und Nehmerqualitäten.

Trump seinerseits, dieser Muhammad Ali der Politik, das Grossmaul, «Greatest of All Time», der Mann mit den unglaublichen Austeiler- und Nehmerqualitäten, steht, das zeigt vor allem die Panik seiner Gegner, offensichtlich kurz davor, erneut ins Oval Office einzuziehen. Sofern ihn die US-Bundesrichter nicht stoppen oder ein Verrückter ihn erschiesst. Sein grösstes Verbrechen? Er kriecht nicht vor den Linken. Vor allem aus Deutschland kommen jetzt die schrillsten Warnungen. Die Regierung bringt zwar nichts mehr auf die Reihe, aber in der Bewirtschaftung von Feindbildern ist sie Weltklasse. Das deutsche Selbstvertrauen verlagert sich vom Sport, von der Industrie und vom Autofahren ins Luftreich des Moralischen. Natürlich hat man gegen Trump bereits das volle Arsenal verschossen: Diktator, Spinner, Nazi.

Stellen wir hier mal eine ketzerische Gegenthese auf: Ist nicht gerade die unabweisbare Tatsache, dass in Deutschland die Ampelparteien und die mit ihnen verbündeten Medien Trump am leidenschaftlichsten ablehnen, eines der stärksten und überzeugendsten Argumente dafür, dass der Mann, dem mit jeder Verurteilung noch mehr Sympathien zufliegen, etwas richtig macht?

Ich weiss: Mit solchen Diagnosen schreibt man sich bei uns um Kopf und Kragen. Aber wenn ich ehrlich in mich hineinhorche, wenn ich die ersten vier Jahre Trump Revue passieren lasse, dann stellt sich bei mir fast so etwas wie ein Gefühl politischer Nostalgie ein. Trump ist vielleicht nicht ganz so gut, wie er sich selber sieht, aber mit Sicherheit ist er viel besser, als ihn unsere Medien darstellen.

Der Ex-Präsident ist ein Instinktgenie, seine Raubtierwitterung für die Schwächen seiner Gegner überragend. Was eigentlich war so fürchterlich an seiner Politik? Er hielt Frieden mit Russland und China, senkte die Steuern, baute Regulierungen ab, drosselte die illegale Migration. Dem angeblichen Rassisten flogen die Herzen der Schwarzen und Latinos zu. Sein Protektionismus war, zum Glück, mehr Rhetorik als Realität.

Ist Trump Europas letzte Hoffnung? Wenn ich mir anschaue, was die Aussicht auf eine zweite Amtszeit in Brüssel oder Berlin auslöst, könnte ich geneigt sein, die Frage zu bejahen. Trump mag ein Narzisst sein mit fragwürdigen Eigenschaften, aber wie ein US-Historiker formulierte, hat er in der verlotterten Politszene Europas und Amerikas womöglich die Wirkung einer am Ende heilsamen Chemotherapie.

Ich wünschte, es wäre anders und ein normaler Langweiler genügte, um den Karren aus dem Sumpf zu ziehen. Aber wer ausser Trump hätte den Punch und die reptilienhafte Aussenhaut, um den links-grün verkrusteten Westen wieder freizuhämmern? In der Polemik seiner Gegner offenbart sich nur Verzweiflung. Trump ist ein brutaler Realist. Vielleicht ist er das, was unsere wankende Zivilisation derzeit am meisten braucht.

R.K.

Cover: Wieslaw Smetek für die Weltwoche; Bilder: Ammar Awad, Pool/AP Photo/Keystone, Alexei Nikolsky/Sputnik/Kremlin Pool Photo/AP Photo/Keystone

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