Zum Glück gibt’s die SVP
ch bin vermutlich der untypischste SVPler aller Zeiten. Meine Grosseltern mütterlicherseits kamen aus Deutschland, mein Vater aus der Ostschweiz. Er war Maurer, dann Bauunternehmer. Die Politik spielte bei uns zu Hause keine Rolle. Welche Parteien in der Schweiz wichtig oder unwichtig sind, darüber redeten wir nie.
Mein Grossvater erzählte uns von Deutschland, dem Zweiten Weltkrieg, der Zerstörung von Königsberg in Ostpreussen. Es klang für mich wie eine Art Film, ein Geistermärchen aus einer anderen Welt. Die Schweiz war kein Thema. Sie galt in unserer Familie als eine Art gelobtes Land. Wir Kinder wüssten gar nicht, wie gut wir es hier hätten.
Meine Grosseltern verfolgten nur die deutsche Politik. Sie waren Fans von Willy Brandt und Helmut Schmidt. Als 1982 der CDU-Mann Kohl die Macht eroberte, breitete sich Trauer aus. Am Abend schauten wir Krimis, «Der Kommissar», «Derrick», manchmal einen Edgar-WallaceFilm mit Klaus Kinski oder deutsche Rateshows.
In der Schule waren die meisten meiner Lehrer links, sogar im Haltungsturnen. Wir machten Übungen mit abgesägten Hockeystöcken. Die wir natürlich umgehend zu Schwertern oder Gewehren umfunktionierten. Sofort schritt die Lehrerin ein: «Hört auf mit euren Kriegsspielen! Wir haben schon genug Kriege auf der Welt.» Wir ballerten weiter.
Keiner meiner Lehrer hatte Sympathien für die Rechten. Aber indoktriniert wurden wir nicht. Im Gymnasium trug ich lange Haare. Ich versuchte mich, mässig talentiert, als Schlagzeuger in einigen Bands. Meine Idole waren die Rockmusiker aus den sechziger Jahren, Jim Morrison, Eric Clapton, Deep Purple oder Jethro Tull. Ländler, Volksmusik war nicht mein Ding.
An der Uni lasen wir vor allem den linken Philosophen Jürgen Habermas. Oder Sozialgeschichte. Ich studierte, wie ich später lernte, bei einem der beliebtesten linken Historiker in Zürich. Wir kamen bestens aus. Ich finde ihn nach wie vor brillant. Dass er links war, wäre mir damals gar nicht aufgefallen.
Nie hätte ich mir denken können, dass ich zwanzig Jahre später für die SVP kandidieren würde. Auch die meisten meiner Freunde und Kollegen wären darauf nicht gekommen. Weder galt ich als provokativ, noch war ich irgendwie verhaltensauffällig. Ich konnte mich begeistern, das schon, aber vor allem für Sport, Film und Musik, nicht für Politik.
Was ist passiert? Einen Linken-Koller hatte ich nicht. Ich bin kein Konvertit. Der Journalist Daniel Ryser vermutet, ich hätte ein Kindheitstrauma erlitten durch den frühen Tod meiner Eltern. Ist man gestört, wenn man nicht links ist? Ich erlebte es ganz anders. Die linken Theorien hielten einfach der Wirklichkeit nicht stand.
Wenigstens eine Partei, die noch voll zur Schweiz steht, unsere einzigartige Staatsform verteidigt.
Mein erster «Rechtsruck» kam als Chefredaktor. Ich musste Anzeigen verkaufen. Erstmals hörte ich, wie Gewerbler und Unternehmer die Medien sehen. Das korrespondierte oft nicht mit der Wirklichkeit von uns Journalisten. Doch die Unternehmerrealität schien mir meistens überzeugender als unsere.
Natürlich ging es auch ums Auffallen. Man muss anders sein, sonst wirst du nicht gelesen. Und: Der Giftschrank ist interessanter als die Schlaftablette. Ich gebe es ja zu: Mein Hang zur Provokation hatte zunächst aufmerksamkeitsökonomische Gründe. Doch bald staunte ich, wie oft man richtig liegt, wenn man einfach das Gegenteil von dem schreibt, was alle anderen schreiben.
So entschied ich mich, vor 25 Jahren, für ein Interview mit Christoph Blocher. Begeistert ging ich in die Redaktion zurück, wirklich schwer beeindruckt. Ich erzählte es meinen Kollegen. Zu meiner Verblüffung gaben sie mir recht. «Gell, der Mann ist faszinierend?» – «Ja, aber warum schreiben wir das nicht?» – «Niemals. Wir wären beruflich erledigt.»
So lernte ich: Was Journalisten schreiben, stimmt nicht notwendig überein mit dem, was Journalisten wirklich denken. Es gibt Selbstzensur, aber oft liegt es an den Chefs, den Verlegern, eingebettet im Establishment. Auch ich hatte Mühe, wollte gefallen, schrieb für die Kollegen, nicht so, wie ich es wirklich sah. Journalismus kann gefährlich sein. Wenn er Dinge ausspricht, die manche nicht hören wollen.
Warum ging ich in die Politik? Vielleicht auch deshalb, weil mir das ewige SVP-Bashing auf die Nerven ging. Ich fand es ungerecht. Es gehörte zum guten Ton, gegen die SVP zu sein. Wie bequem. Wie überheblich. Viele SVP-Kritiker machen mit, weil sie sich für etwas Besseres halten, um bei der «Elite», bei den «Guten» dabei zu sein.
Natürlich ging es auch um die Schweiz. Dank Blocher begann mich das Land zu faszinieren, das in meiner Kindheit keine Rolle spielte. Als Chefredaktor in Deutschland schüttelte ich den Kopf über unsere Politiker, die sich im Ausland für die Schweiz entschuldigen, für Volksentscheide, die sie draussen nicht verstehen.
Aber ausschlaggebend war auch: Ich wollte mich nicht mehr länger distanzieren müssen. Mir imponierte diese vielgescholtene SVP. Es war lächerlich, peinlich, auch unehrlich, nicht dazu zu stehen. Als Sportjournalist hatte ich gelernt: Man muss es sagen, wenn ein Team gut spielt, egal von welcher Leibchenfarbe.
Neuerdings jubeln schadenfroh die Medien, die SVP rutsche nach links, huldige dem Sozialismus. Grund seien die Abstimmungen über die AHV und die Krankenkassen. Wieder liegen die Journalisten falsch. Viele Schweizer ärgern sich, dass unser Staat für alle Geld hat ausser für die Schweizer. Dagegen protestieren sie. Das ist nur verständlich, nicht links.
Gott sei Dank haben wir die SVP. Wenigstens eine Partei, die noch voll zur Schweiz steht, unsere einzigartige Staatsform verteidigt, die direkte Demokratie, die Neutralität, die Volksrechte, auch dann, wenn sie in Brüssel oben husten. Die SVPler sagen, was sie denken, lassen sich nicht einschüchtern. Das braucht Mut.
Und das ist es, was ich von guten Politikern erwarte. Dass sie sich für die Sache einsetzen, für die Schweiz, nicht fürs Image, fürs Pöstchen, für die eigene Karriere. Noch immer müssen die SVPler unten durch, nehmen sie Nachteile in Kauf, halten sie dagegen, halten sie durch im Gegenwind, idealistenwahre Freiheitskämpfer. Meine Bewunderung haben sie.
R.K.