Weltwoche Kommentar 33/25

Kommentar

Danke, Trump

W

ird die Schweiz an den neuen US-Zöllen zugrunde gehen? Wohl doch eher nicht. Die drastischen Auflagen, die der amerikanische Präsident wohl höchstpersönlich nach einem verunglückten Telefonat mit Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter verhängte, sind eine temporäre Belastung für bestimmte Branchen und Unternehmen. Wir wollen es nicht herunterspielen, aber ein Weltuntergang ist es nicht.

Zu erwarten war, dass nach dem ersten Schock die üblichen Verdächtigen auf die Barrikaden steigen. Sie sehen im «US-Zollhammer» das willkommene Instrument, um die Schweiz in die Europäische Union zu bugsieren. Vorneweg fordert die Neue Zürcher Zeitung, Leitorgan eines wankelmütigen Establishments, eine «enge Zusammenarbeit mit der EU». Einmal mehr schwindet das Vertrauen in die Schweiz.

Das ist nichts Neues hierzulande. Immer schon gab es diese schweizerischen Selbstzweifel, diese Schwindelanfälle in den Höhen eines erstaunlichen Erfolgs, den unser Land gerade dank seiner jahrhundertealten Unabhängigkeit zur Verblüffung sogar seiner eigenen Bewohner zustande brachte. Vielleicht ist diese Bereitschaft, die Schweiz zu hinterfragen, ihr hinterherzuzweifeln, eine der grössten Schweizer Stärken.

Dennoch wäre es jetzt das Dümmste, die Schweiz wegen der Trump-Zölle der EU unterwerfen zu wollen. Wie kann man nur auf die Idee kommen, dass es der Schweiz besser ginge, wenn sie sich einem Gebilde anschlösse, das es in wichtigen Messgrössen – Wachstum, Produktivität, Wohlfahrt – schlechter macht? Nein. Der Schweiz geht es besser, weil in der Schweiz die Schweizer das Sagen haben, nicht Politiker aus der EU.

Es bringt auch nichts, sich über die angebliche Unverlässlichkeit der Amerikaner und ihres Präsidenten zu entrüsten. Anscheinend geben sich nicht wenige Politiker in Bern nach wie vor der Illusion hin, Staaten hätten Freunde, und ein paar launige Wortwechsel reichten aus, um einer Supermacht einen vorteilhaften «Deal» zu entlocken. Das bundesrätliche Verhandlungsdebakel mag da heilsam einigen die Augen öffnen.

Ja, die Regierung hat sich einlullen lassen, die Lage falsch beurteilt und zu wenig der Tatsache Rechnung getragen, dass am Ende der US-Präsident auch gegen den Willen seiner Unterhändler entscheidet. Das ist nichts Ungewöhnliches. Auch der Bundesrat hat, etwa beim EU-Rahmenabkommen 2021, die Kollegen in Brüssel brüskiert, als er den von seinen Diplomaten für gut befundenen Vertrag überraschend kübelte.

Es sind sicher Fehler gemacht worden. Man muss sie analysieren und aufarbeiten. Aber weder die Medien noch die Parteien, Diplomaten und Verbände haben es kommen sehen. Alle wiegten sie sich in falscher Sicherheit, wohl auch beschwipst durch ehrliche, freundliche Stimmen aus den Vereinigten Staaten, die den Eindruck erweckten, alles sei auf bestem Weg.

Wie geht es jetzt weiter? Der Bundesrat wird weiterverhandeln, um einen besseren Zollsatz herauszuholen. Das wird gelingen, weil Trump kein Ideologe ist, sondern ein Erzpragmatiker. Not macht erfinderisch. Der Bundesrat reist bereits mit kreativen Delegationen in die USA. Nicht nur Beamte, auch amerikakundige Unternehmer sind dabei, sogar EU-skeptische. Das zeigt: Die Eignung zählt, nicht die Gesinnung.

Wir bleiben also guter Dinge. Auch für die betroffenen Unternehmen kann der Zollhammer zum Befreiungsschlag werden. Krisen sind für die Wirtschaft immer eine Chance, die eigenen Abläufe zu prüfen, das Geschäft zu optimieren. Zölle sind Kosten, also hat die Politik dafür zu sorgen, die Unternehmen zu entlasten. Abzuschütteln wäre zuerst der riesige Ballast an Klima- und CO2-Auflagen, Senkblei für den Wohlstand.

Im ersten Übereifer melden sich in den Zeitungen jetzt auch politische Hinterbänkler und unter Aufmerksamkeitsdefizit leidende Parlamentarier aus dem Sommerloch zu Wort. Sie überbieten sich in kraftmeierischen Forderungen, es den Amerikanern zurückzuzahlen, mit Gegenzöllen und Boykotten den Trump-Staat in die Knie zu zwingen. Ob sie selber glauben, was sie da den Medien diktieren?

A

lles Schlechte hat auch sein Gutes. Die Spreu trennt sich vom Weizen. Trumps Zölle sind vielleicht ein Anstoss, intensiver darüber nachzudenken, was die Schweiz ausmacht, was wirklich zählt und worauf es ankommt, wenn da draussen nicht mehr alles nach Plan läuft. Kriege, Konflikte gab es immer, aber sie rücken näher, und daher steigt der Bedarf an wirklichkeitsbezogenen Lagebeurteilungen.

Eine wichtige Erkenntnis aus letzter Zeit ist die Feststellung, dass die internationalen Regeln und Schlichtungsgremien nicht mehr von allen Seiten fraglos akzeptiert werden. Vor allem unter den Grossmächten gibt es keinen Konsens. Was der westliche Block unter einer «regelbasierten Ordnung» versteht, ist für Russland, China und manche Drittweltstaaten ein hegemoniales System westlicher Dominanz.

Daraus ergeben sich Spannungen und Auseinandersetzungen. Die seit dem Ende des Kalten Kriegs nur vorübergehend betäubte, schwelende Rivalität zwischen den alten Feinden USA und Russland explodierte in den Ukraine-Krieg. Darum ist es eine gute Nachricht, wenn sich der amerikanische und der russische Präsident jetzt treffen, um einen neuen Ausgleich ihrer Interessen zu finden. Ihnen ist viel Glück zu wünschen.

Ihre Rolle erst wiederfinden muss die Europäische Union. Ob das aus ehrenvollen Motiven gegründete Konstrukt in dieser institutionellen Form eine Zukunft hat, ist ungewiss. Die Euro-Eliten sind schwer verunsichert. Es ist viel Stress und Aggressivität im System. In Deutschland, dem wichtigsten EU-Staat, breiten sich nur wenige Monate nach Antritt einer neuen Regierung politische Depressionen aus.

M

erken die Schweizer, wie gut ihr Land im Quervergleich dasteht? Die aufgewühlte Gegenwart sendet klare Botschaften an die wohlstandsgewohnte Alpenrepublik: Schweizer, haltet an der Schweiz fest! An ihrer Freiheit, an ihrer Demokratie und, in kriegerischen Zeiten besonders, an ihrer Neutralität! Danke, Trump: Sein Zollhammer ist ein Tritt in den Hintern. Vor allem aber ein Gongschlag für alle Schweizer Patrioten.

R.K.

Cover: Will Oliver/EPA/Keystone

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