Weltwoche Kommentar 49/20

Kommentar

Meuthen zerlegt die AfD

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emokratie heisst Meinungsstreit, Rede und Gegenrede, Mainstream und Opposition. Nur dann kommen halbwegs vernünftige Entscheidungen zustande. Wo alle das Gleiche denken und erzählen, wird es gefährlich. Demokratie ist die Staatsform der institutionalisierten Alternativen. Wo es keine Alternativen mehr gibt, haben wir auch keine richtige Demokratie mehr.

Darum war es ein Glück für Deutschland, als vor sieben Jahren plötzlich dieser merkwürdige Verbund von liberalen Professoren, enttäuschten Bürgerlichen und «Wir haben die Schnauze voll»-Deutschen antrat, um das für sie unerträgliche Käseglocken-Polit-Kartell von Berlin aufzuknacken. Vor der Geburt der AfD hatten sich an der Spitze der Republik zwar die Regierungen abgewechselt, aber ohne dass sich an der Politik gross etwas geändert hätte.

Auf der Fieberkurve nach oben

Es stimmt, dass sich die AfD seither mehrfach häutete. Die Partei schleuderte auf einer Fieberkurve nach oben, aufgepeitscht vor allem durch die von vielen als Zumutung empfundene Flüchtlingspolitik der ewigen Kanzlerin Merkel, die mit stoischer Ungerührtheit und einem zusehends auffällig werdenden Zug ins Autoritäre ihre Politik als «alternativlos » darstellte. Diese Selbstverblendung einer Regierungschefin, die sich wie ein alternder Despot für «alternativlos» hält, hat die AfD erst recht beflügelt.

Es passierte, was in Deutschland immer passiert, wenn eine Opposition von rechts und nicht von links angreift. Das Establishment verbündet sich parteiübergreifend gegen den Eindringling, und die Journalisten bilden den schreibenden Abwehrschirm. Man einigte sich darauf, die AfD als eine Art Nazipartei zu verunglimpfen, was verrückt ist angesichts der unbestreitbaren Tatsache, dass die echten Nazis Angriffskriege und Völkermord entfesselten, vorgängig die Demokratie abschafften und alle ins KZ warfen, die mit diesem Zerstörungskurs nicht einverstanden waren.

Die AfD ist keine Nazipartei. Nichts an ihrem Programm oder ihrem Wirken in den Parlamenten rechtfertigt diesen Vorwurf, den sich jeder geschichtsbewusste Mensch, der die Nazis und ihre Verbrechen nicht verharmlosen will, ohnehin verbieten sollte. Die AfDler sind oppositionelle Patrioten, keine Faschisten, aber sie sind für die Eliten höchst lästig, weil sie ihrer als «alternativlos» verkauften Politik eine Alternative entgegensetzen.

Mit Erfolg. Die AfD kann sich zugutehalten, dass sie gewichtige Missstände auf die Agenda wuchtete: Fehlkonstruktion Euro, Demokratiedefizit der EU, Aushebelung des Rechtsstaats im Asylbereich, steigende Kriminalität durch unkontrollierte Zuwanderung, enger werdende «Meinungskorridore» im Gefolge der Political Correctness. Darum ist die AfD für ihre Gegner ein Ärgernis. Weil sie die brenzligen Themen anders, konservativ anspricht.

Wer in die Opposition geht, nimmt immer Nachteile auf sich. Man muss das aushalten können. In Deutschland ist der Druck naturgemäss viel grösser. Es gibt die Last der Geschichte, aber es gibt eben auch den billigen Missbrauch dieser Geschichte durch die Mächtigen in Politik und Medien. Die AfD trifft die geballte Ausgrenzung und Anschwärzung seit Jahren mit voller Wucht. Neuerdings wird die Partei vom Verfassungsschutz bespitzelt. Eine der Regierung unterstellte Behörde überwacht und infiltriert die Opposition. Verdächtig macht sich bereits, wer die «falsche» Gesinnung durch unvorsichtige Wortwahl an den Tag legt. Deutschland ist die weltweit wohl einzige Demokratie, die den Inlandnachrichtendienst gegen Parteien einsetzt, die in Konkurrenz zu den regierenden Parteien stehen.

Übermotivierte Deutschromantiker

Vor diesem Hintergrund machte der Co-Vorsitzende Jörg Meuthen am letzten Parteitag in Kalkar den wohl grössten Fehler, den ein Oppositionspolitiker machen kann: Anstatt die Anfeindungen der Etablierten kämpferisch zurückzuweisen, machte er sich zu deren Sprachrohr. Es war ein trauriges Spektakel. Meuthen klang über weite Strecken so, als ob er sich bei der Armada der AfD-Kritiker beliebt machen wollte. Seine Brandrede gegen «flegelhafte Provokateure», «Krakeeler», «unreife Mitglieder» oder «Verharmloser» dürfte den Verfassungsschutz in seiner spionierenden Neugier nur bestärkt haben.

Die AfD-Spitze muss aufpassen, dass sie nicht die Nerven verliert. Die Dauerkritik von aussen scheint beim nicht besonders gefestigt wirkenden Parteichef den Wunsch nach Spaltung und Selbstzerfleischung auszulösen. Man stärkt aber eine Partei nicht, indem man sie mit Stilfragen von oben auseinanderdividiert. Besser machte es Meuthens Vorgänger Alexander Gauland. Der stellte sich bei Angriffen von aussen jeweils loyal vor seinen «gärigen Haufen», in dem heimatlose Konservative aus dem Westen und übermotivierte Deutschromantiker aus dem Osten erst noch zusammenfinden müssen.

Wem die Demokratie am Herzen liegt, hat keine Freude daran, wie Deutschlands einzige Oppositionspartei im Dreck versinkt, mit dem sie beworfen wird. Allerdings sind Parteien, für sich genommen, unwichtig. Auf die Inhalte kommt es an. Scheitert die verteufelte AfD an sich selbst, müssen halt fähigere Leute ran. Merkels nach links gerückte CDU hinterlässt politisch eine grosse Lücke.

R.K.

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