Weltwoche Kommentar 45/20

Kommentar

Trump, im Felde unbesiegt

E

s war, es ist eine Sternstunde der Demokratie, superspannend, überraschend, unberechenbar wie das Leben. Medien und Meinungsforscher lagen kolossal daneben, erneut. Es gab keine blaue Welle. Trump war viel stärker als erwartet. Trotz Corona strömten die Wähler in Rekordzahl an die Urnen. Millionen stimmten brieflich ab. Der Couvert-Tsunami verlängerte die Auszählung und peitschte die Nerven hoch. Amerika streitet leidenschaftlich über seine politische Zukunft. Das ist Demokratie, grossartig, aufwühlend, inspirierend.

Voreilig erklärte sich Präsident Trump noch in der Wahlnacht zum Sieger. Sein grimmig bizarrer Auftritt wirkte eher wie das Eingeständnis einer Niederlage. Vielleicht ist es psychologisch zu deuten. Trump muss gewinnen. Für Verlierer hat er nur Verachtung übrig. Deshalb trägt er die Wahl jetzt mit einem Betrugsvorwurf vor die Gerichte. Dort scheinen die Chancen für ihn grösser als im Ozean der noch nicht ausgezählten Wahl-Couverts. Ausserdem ist einer, der wegen «Bschiss» die Wahl dann doch verliert, nicht selber schuld. So bleibt Trump, der Instinktpokerspieler, im Felde unbesiegt.

Europa rümpft die Nase. Voller Mitleid beugen sich die Journalisten über den Patienten USA. Die Situation sei «explosiv», «bestürzend», ein «Zündeln». Trump wird in den Medien bereits mit Lukaschenko gleichgesetzt. Ach was. Erinnert man sich noch an den deutschen Wahlverlierer Schröder, der Kanzlerin Merkel vor laufenden Kameras wie auf Drogen den Sieg ausreden wollte? Doch Trump ist nicht Sozialdemokrat, und die Verachtung der Journalisten für den unkonventionellen Nichtpolitiker im Weissen Haus kennt keine Grenzen.

Trump zimmert die Dolchstosslegende eines Wahlbetrugs, um sich von der Möglichkeit einer Niederlage abzulenken. Die Europäer reden verächtlich über Trump, um sich vom Berg ihrer ungelösten Probleme abzulenken. Die EU bröckelt. Der Brexit ist ungelöst. Im Osten brodelt der Unmut gegen Brüssel. Die von der EU geförderte Migrationspolitik offener Grenzen droht Europa in ein Flüchtlingslager für Terroristen zu verwandeln. Der Euro ist auf der Intensivstation. Doch statt sich selbst zu hinterfragen, schwelgen Europas Eliten lieber im bequemen Feindbild Trump.

Dahinter steckt mehr als nur Geschmack und Stil. Es geht um Politik. Trump ist das Gegenteil der EU. Er steht für Nationalstaat, Patriotismus, konservative Werte, Flaggen, starkes Militär, tiefe Steuern, wenig Regulierung, Männlichkeit, Freiheit, freie Rede und das Recht auf Waffentragen. Trump setzt auf Marktwirtschaft statt Staatswirtschaft. Vom Pariser Klimaabkommen hält er nichts. Niemals würde er die US-Industrie durch Windräder und Sonnenzellen ruinieren. Trump gehört zu den raren Politikern der Rechten, die sich von der Linken nicht herumstossen lassen. Er schlägt zurück.

Die Linken verachten Trump, weil sie sich durch ihn bedroht fühlen. Dies zu Recht. Deshalb haben sie alles versucht, um ihn nach der Wahl aus seinem Amt zu putschen. Das FBI hörte sein Wahlkampfteam ab, machte richtiggehend Jagd auf seine Mitarbeiter. Sie wollten ihm Sexaffären in Moskau und Landesverrat mit dem Kreml anhängen. Als sich alles in Luft auflöste, dachten sich die Demokraten ein Amtsenthebungsverfahren aus. Trump überlebte erneut. Der gleissende Hass seiner Gegner ist auch ein Ausfluss der Enttäuschung darüber, dass dieser Präsident noch immer steht.

Trump ist ein Fighter, ein Kämpfer. Seine Bereitschaft, sich unbeliebt zu machen, verdient schon fast Bewunderung. Handkehrum muss man berücksichtigen, dass kein anderer US-Präsident der jüngeren Geschichte brutaler und unfairer angegriffen wurde. Es mag stimmen, dass er unter den Narzissten des Showgeschäfts seine eigene Liga anführt. Aber Trump ist eben Amerikaner, «larger than life», vermutlich weniger geeignet, sich in einem Quartierverein oder in einem Bundesrat einzuordnen, als wie zuletzt im Wahlkampf Tag für Tag, Abend für Abend, Woche für Woche mehrmals vor bis zu 50 000 Zuschauern als Redner und Motivator zu brillieren.

Die zwanghafte Trump-Kritik in weiten Teilen unserer Öffentlichkeit hat etwas Beelendendes. Es gibt die freudlose Konvention, Trump einen Idioten finden zu müssen, sich obsessiv mit seinen tatsächlichen und angeblichen Persönlichkeitsdefiziten zu befassen. Das ist doch kindisch. Spielt es eine Rolle, ob ich den Klempner, der erfolgreich meine Toilette repariert, einen angenehmen Menschen finde? Hauptsache, der Klempner macht seinen Job. Hauptsache, der US-Präsident macht, was er vor der Wahl versprochen hat.

Fraglos hat Trump geliefert im Sinne seiner Politik. Das bestreitet niemand, am wenigsten das Lager seiner Gegner. Noch seine Corona-Bilanz ist besser als die des Bundesrats. Warum hat es dann trotzdem nicht für einen lockeren Sieg gereicht? Seine grösste Stärke ist vielleicht auch seine grösste Schwäche: Trumps Ego ist so riesig, dass man dahinter die Vereinigten Staaten nicht mehr sieht. Wer zu oft ich sagt, dem nehmen die Leute irgendwann nicht mehr ab, dass es ihm eigentlich um sie geht.

R.K.

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