Weltwoche Kommentar 41/22

Kommentar

Waffenstillstand jetzt!

Ich weiss nicht, mit welchen Waffen der dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber der vierte Weltkrieg wird mit Stöcken und Steinen ausgetragen.
Albert Einstein

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er Krieg in der Ukraine eskaliert immer weiter. Der eine schlägt zu, der andere schlägt noch härter zurück. Das ist die Eigendynamik der Kriege, seit Jahrtausenden. Es endet erst dann, wenn einer kampfunfähig oder tot am Boden liegt.

Der Ukraine-Krieg ist nichts Neues. Das Gefährliche besteht einfach darin, dass eine angeschlagene Atommacht beteiligt ist. Das macht die Sache unberechenbar und gefährlich. Die Russen werden sich nicht geschlagen geben. Es darauf ankommen zu lassen, wäre Wahnsinn.

Wir sind jetzt an einem Punkt, wo es nichts mehr bringt, Schuldzuweisungen und Rechthabereien vorzulegen. Es kann nur darum gehen, diesen Krieg zu stoppen, auszusteigen aus der Zerstörungsspirale der Eskalation. Passiert das nicht, taumeln, stürzen wir in einen Atomkrieg.

Man hüte sich, die Menschen zu unterschätzen. Der Dreissigjährige Krieg tötete einen Drittel der damals auf deutschen Territorien lebenden Bevölkerung. Das Gemetzel ging nicht aus Einsicht zu Ende. Aus Erschöpfung, des Tötens müde, wankten die Mächte an den Verhandlungstisch.

Den Pazifikkrieg beendeten die Amerikaner 1945 mit zwei Atombomben. Sie hatten die Nase voll von den blutigen Kamikaze-Schlachten in den Höhlen japanisch besetzter Tropeninseln. Wir wissen nicht, was die Russen mit ihren 6400 Nuklearsprengköpfen tun, solange in der Ukraine der Stellvertreterkrieg der Nato tobt.

US-Präsident Joe Biden warnt, die Situation erinnere ihn an die Kubakrise von 1962. Vermutlich ist es bedrohlicher. Damals redeten die Supermächte miteinander. Kennedy und Chruschtschow respektierten einander. Die Atomraketen blieben in den Silos. Heute herrscht Funkstille zwischen Washington und Moskau.

Wir bleiben guter Hoffnung. Es mehren sich die prominenten Friedensstimmen. In den USA mahnen bezeichnenderweise Unternehmer zur Besinnung, nicht berufsmässige Politiker. Elon Musk entwirft Szenarien, Ex-Präsident Trump bietet sich als Vermittler an. Gut so!

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ass diese Impulse aus den Vereinigten Staaten kommen, ist erfreulich. Die normalen Amerikaner sind keine Kriegsfreunde, sie sind Geschäftsleute, idealistische Pragmatiker. Das Problem ist, dass der Krieg sehr weit weg ist und deshalb der Drang, ihn zu beenden, noch kaum spürbar.

Ganz anders in Europa. Da verbreitet sich der modrige Grabgeruch des Niedergangs. Verhungern für Kiew? Niemand rechtfertigt Putins Strategie, aber immer mehr Menschen fordern von ihren Regierungen ein Ende des Kriegs und der Sanktionen. Tausende gehen auf die Strassen.

Den Schlüssel aber halten die Amerikaner in der Hand. Sie bestimmen, wie lange die Ukraine ihre Anti-Russland-Politik noch fortsetzen darf. Die Führung in Kiew zeigt gelegentlich Symptome des Grössenwahns. Mutiert Freiheitsheld Selenskyj zum Treiber der Eskalation? Das Unbehagen wächst.

Die Schweiz könnte helfen, aber nur als glaubwürdig neutraler Staat, von beiden Seiten anerkannt.

In der Europäischen Union heisst der Frieden Viktor Orbán und Olaf Scholz. Der vielgescholtene Kanzler verkörpert mit seinem Zögern mehr politische Weisheit als Friedrich Merzens ganze CDU. Grüne und FDP sind im Rausch der Feindbilder, die AfD legt zu – mit Botschaften des Friedens.

Viktor Orbán hat hervorragende Drähte in die Republikanische Partei. Er könnte sich noch als wichtiger Brückenbauer und Augenöffner erweisen. Dass ihn die Journalisten verleumden, spricht für ihn. Unsere Medien sind, einmal mehr, Brandfackeln der reinen Empörung, als nüchterne Informationsquellen in diesem Krieg kaum zu gebrauchen.

«Das Leben ist das Licht der Menschen, und die Finsternis begreift es nicht.» Der wunderbare Tolstoi-Satz aus «Krieg und Frieden» erinnert uns daran, dass wir niemals aufhören dürfen, an das Gute zu glauben. Man muss es dann aber auch verwirklichen, ohne Berge des Unheils aufzutürmen.

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ichtigste Priorität: Waffenstillstand jetzt! Die Fronten sind einzufrieren, die Kanonen sollen schweigen. Dann können Verhandlungen beginnen. Putin hat seine Bereitschaft signalisiert. Selenskyj wird seinen Übermut dämpfen, wenn aus Washington entsprechende Signale kommen.

Die Schweiz sollte aus allem die Erkenntnis ziehen, dass eine Rückkehr zur immerwährenden, bewaffneten, umfassenden Neutralität das zwingende Gebot der Stunde ist. Dies muss für die SVP auch das Thema dieses Bundesratswahlkampfs sein, nicht Frauenquoten, Kantone oder Karrieren.

Noch nie stand die Welt näher an einem Atomkrieg. Das ist nicht Kreml-Propaganda. Das ist die Wirklichkeit. Die Schweiz könnte helfen, aber nur als glaubwürdig neutraler Staat, von beiden Seiten anerkannt. Dies umgehend wieder einzurenken, ist der Auftrag unserer Regierung.

R.K.

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