Grounding der Grünen
er Nationalrat hat dieser Tage über einen Zehn-Milliarden-Rettungsschirm für Schweizer Stromstaatskonzerne im Besitz der Kantone beraten. Gegen die Stimmen der SVP genehmigte die Mehrheit den Milliardenkredit auf Kosten der Steuerzahler. Der Staat rettet Staatskonzerne, während die Bürger zahlen sollen. Das ist der real existierende Wahnsinn der Schweizer Energiepolitik.
Nicht Putin ist schuld, dass die Schweiz im Energiebereich den lupenreinen Sozialismus ausruft. Das Grounding ist die Folge von hausgemachten Fehlentscheiden. Die bis weit ins liberal-bürgerliche Justemilieu von FDP und Economiesuisse unterstützte rot-grüne Energiewende, die kollektive Selbsthypnose im Zeichen apokalyptischer Klimaprognosen, hat dazu geführt, dass sich die Schweiz, einst energiepolitisch vorbildlich aufgestellt, schwerverwundbar gemacht hat.
Gleichzeitig schiessen für die Konsumenten die Preise senkrecht nach oben. Auch das ist das Resultat des staatlich bewerkstelligten Ausstiegs aus der bewährten Energieversorgung. An Warnungen fehlte es nicht («Mehr zahlen und erst noch kalt duschen!»), doch die schlimmsten Befürchtungen der Mahner, allen voran und ziemlich einsam damals die SVP, sind noch übertroffen worden.
Die damalige Energieministerin Doris Leuthard gaukelte den Leuten vor, unser Land könne die Kernkraftwerke abschalten und seine Energie künftig aus Solarzellen und Windturbinen beziehen. Fehlende Restmengen seien aus dem Ausland zu importieren. Weil Wind und Solar massiv subventioniert werden müssen, begannen die Preise schon vor Jahren verrücktzuspielen. Erstes Opfer war die Schweizer Wasserkraft, die auf einmal nicht mehr richtig rentierte.
Zweite Nebenwirkung der Energiewende, die sich als Energie-Ende entpuppt, war eine Explosion der Stromspekulation an undurchsichtigen Börsen. Durch die staatlich verordnete Auslandabhängigkeit wurden die staatlichen Konzerne faktisch gezwungen, halsbrecherische Termingeschäfte auf Kosten der Steuerzahler zu unternehmen. Zauberlehrlinge auf der Geisterbahn der Märkte, soll allein die staatliche Energiefirma Axpo an dreissig Börsen aktiv gewesen sein.
Vor ein paar Wochen wurde deutlich, dass alle Verantwortlichen die Übersicht weitgehend verloren haben. In einer panikartigen Fluchtbewegung, die an den Chaos-Rückzug der russischen Truppen im Nordosten des Donbass erinnert, wandte sich die Axpo-Spitze an den Bundesrat mit der Bitte, ihr einen von keiner Bank mehr bewilligten Vier-Milliarden- Franken-Sofortkredit zuzusprechen. Übers Wochenende öffnete die Landesregierung die Kassen.
Skandalös ist weniger der Bittgang der Konzernleiter, die von der Preisexplosion überrascht worden sind. Befremdlich mutet vor allem das Verhalten des Bundesrates an. Simonetta Sommaruga musste in der Parlamentsdebatte zugeben, dass man vor der Kreditvergabe keine vertiefte Buchprüfung durchgeführt hatte. Waren die Zehntausende von Bundesangestellten überlastet? Jeder Schweizer, der am Bankschalter einen Kleinkredit bezieht, wird sorgfältiger geröntgt.
Jahrelang hatte sich Sommaruga auf kritische Rückfragen damit herausgeredet, dass die Stromversorgung Sache der Konzerne sei. Im ersten Stresstest stellen sich diese Beschwichtigungen als falsch heraus. Nicht die Konzerne und ihre Aktionäre, die Kantone, haften im Ernstfall. Diskret haben sich die Kantone, die in den guten Zeiten fette Dividenden kassierten, davongeschlichen. Es haften die Schweizer Steuerzahler, ohne zu wissen, welche Risiken noch drohen.
Hier braucht es eine sorgfältige parlamentarische Aufarbeitung. Die SVP-Fraktion beantragte für die kommende Woche eine Sondersession, um den Fall Axpo, der in Wahrheit ein Fall Bundesrat ist, zu durchleuchten. Das Parlament, die Steuerzahler müssen endlich Einsicht nehmen in die Bücher der Stromkonzerne mit ihrer selbstmörderischen Börsenakrobatik. Der staatliche Energiesozialismus ist eine konkrete Bedrohung für die Sicherheit und den Wohlstand in unserem Land.
Zu hinterfragen ist auch das Totschlagargument der Regierung, Konzernrettungen wie bei der Axpo seien alternativlos, weil sonst die Stromversorgung in der Schweiz zusammenbreche. Dieser Behauptung widersprechen Energiepolitiker im National- und Ständerat. Ihren Augen kaum glaubend, erleben die Schweizer, wie ihr einst vorbildlich liberales Land auch im Energiebereich zu einer Art Kolchose umgestaltet wird, zu einer Planwirtschaft ohne Plan, herbeigehebelt aufgrund von Sachzwängen und Notständen, die ein rot-grün bezirzter Bundesrat selber produziert hat.
Zum Schluss die gute Nachricht: Das Grounding der Energiewende ist vor allem ein Grounding der Grünen, ist ein Augenöffner. Auch das Stimmvolk liess sich benebeln. Die Zeit der Illusionen geht vorbei, der rot-grüne Budenzauber verfliegt. Das zeigt, nebenbei, auch die ohrenbetäubende Stille um das Nuklearendlager im Zürcher Unterland. Früher wären die Grünen Sturm gelaufen. Heute fehlt ihnen die Kraft. Der Pragmatismus kehrt zurück. Heilsame Ernüchterung.
R.K.