Weltwoche Kommentar 36/21

Kommentar

Ueli Maurer hat recht

W

Weil es keine andere Zeitung fertigbringt, müssen wir es aussprechen. Im Bundesrat gibt es genau zwei Corona-Stimmen der Vernunft: Finanzminister Ueli Maurer und Bundespräsident Guy Parmelin.

Beide sind sie gegen die Ausweitung der Covid-Zertifikatspflicht. Beide sind sie für die Freiheit. Beide sind sie in der SVP. Das ist schön für die SVP, aber traurig für die Schweiz. Wo sind die anderen? Wo sind die Freisinnigen? Wo steckt die Mitte?

Das sagt Ueli Maurer:
«Viele Ungeimpfte sind senkrechte Schweizer.»
«Der Staat hat nicht die Aufgabe, jeden vor dem
Tod zu schützen.»

Endlich sagt es einer. Warum sagt es nur einer? Ich bin gegen einen staatlichen Impfzwang, in welcher Form auch immer. Es geht um meinen eigenen Körper. Jeder soll selber entscheiden. Der Staat hat nicht das Recht, den Menschen in die Körpersäfte hineinzuregieren.

Für mich ist klar: Seit es die Impfung gibt, seit sich die Impfwilligen geimpft haben, fehlt den Corona-Einschränkungen die moralische Grundlage. Jetzt kann sich jeder schützen. Die Ungeimpften stellen für niemanden eine Bedrohung dar. Und, mit Ueli Maurer: Der Staat muss nicht jeden davor bewahren, krank zu werden oder zu sterben.

Die staatliche Krankheits- und Todesverhinderung durch eine nicht mehr endenwollende Beschneidung bürgerlicher Freiheiten ist das Gegenteil von dem, was ich mir unter einem liberalen Staat, unter einer Schweiz vorstelle.

Doch die Regierung geht genau in diese Richtung weiter. Der Bundesrat will jetzt doch die Zertifikatspflicht ausdehnen, obschon die Zahlen in den Spitälern stabil sind.

Es ist der staatliche Impfzwang durch die Hintertür. Der Absturz in einen sanften, wattierten Totalitarismus.

Ab sofort haben wir zwei Kategorien von Menschen: Die Geimpften und die Ungeimpften. Die Ungeimpften sind die Ausgegrenzten, Menschen zweiter Klasse. Man zieht die Hürden hoch, nötigt ihnen die Impfung auf. Warum eigentlich?

Es ist eine Tatsache, dass sich viele Schweizer nicht impfen lassen wollen. Sie sind einfach nicht überzeugt. Sie fühlen sich vom Virus nicht bedroht. Sie empfinden die Kommunikation der Behörden als widersprüchlich. Sie misstrauen den Impfstoffen, haben den Eindruck, die Wirkungen würden hoch- und die Nebenwirkungen heruntergespielt.

Andere haben sich impfen lassen, nicht aus Angst vor dem Virus, sondern weil sie dem Staat entfliehen wollen. Sie haben die Nase voll von PCR-Tests, von denen wir noch immer nicht wissen, wie ungenau sie sind. Sie haben geglaubt, weil man es ihnen so erzählt hat, dass sie mit der Impfung auch die Maske los würden. Auch diese Ansage stimmte nicht. Geimpfte müssen Masken tragen wie Ungeimpfte.

Wie viele lassen sich impfen, weil sie sich vom Virus fürchten? Ich weiss es nicht. Hätten die Leute wirklich Angst, würden sie sich impfen lassen. Vielleicht ist die relative Sorglosigkeit ein Problem, aber seit wann muss sich der Staat um die privaten Lebensrisiken seiner Bürger kümmern?

Ich habe das Gefühl, unsere Behörden gehen wie selbstverständlich davon aus, ja sie erwarten von uns, dass wir alles klaglos mitmachen. Dass wir den Wahrheiten glauben, die sie mit ihren Wissenschaftern ausbrüten. Es sind schöne, meistens einleuchtend klingende Wahrheiten, laufend neue, so viele, dass wir die Übersicht verlieren.

Kein Missverständnis: Ich habe grössten Respekt vor unseren Ärzten, unseren Pflegerinnen und Forschern, die wie alle von diesem Virus aus China überrascht worden sind. Handkehrum staune ich, wie viele medizinische Experten es plötzlich in der Schweiz gibt. Die Zahl an felsenfest Überzeugten nimmt beunruhigend zu.

Folgende Frage konnte mir noch niemand beantworten: Für wen eigentlich stellen die Ungeimpften eine Bedrohung dar? Für sich selber? Dan geht es den Staat nichts an. Für die Geimpften? Aber die sind doch geimpft. Für die Jungen ausserhalb der Risikogruppe? Jeder kann sich schützen. Jeder kann sich impfen lassen, und die Impfung nützt, wie uns die gleichen Leute versichern, die jetzt die Ungeimpften, da angeblich gefährlich, schikanieren, es sei denn, sie lassen sich impfen oder testen. Auf eigene Kosten.

Wenn künftig also ein Ungeimpfter ein Restaurant betreten will, in dem die Ansteckungsgefahr ohnehin gegen null tendiert, muss er sich für 100 bis 200 Franken testen lassen. Jedes Mal. Der Alltag der Ungeimpften wird sich dramatisch verteuern.

Wo bleibt die Linke, angesichts dieser schreienden sozialen Ungerechtigkeit?

Ein neuer staatlicher Gesundheitsdarwinismus breitet sich gegen die Ungeimpften aus. Die Politik behandelt sie wie potenzielle Massenmörder, wie Aussätzige. Hätte der Staat bei Ausbruch der Aids-Epidemie die stark betroffenen Homosexuellen so behandelt, wäre es zu weltweiten Protesten, zu empörten Lichterketten gekommen. Zu Recht.

Man muss ja auch das Positive sehen. Die Schweiz hat es nicht schlechter gemacht als andere Länder. Das aber lag weniger an den Politikern und schon gar nicht an den Journalisten. Sie huldigten der neuen Sicherheitsreligion am gläubigsten. Zu verdanken war es all den «senkrechten Schweizern», den von oben belächelten und angefeindeten Skeptikern, Freiheitskämpfern und Rebellen, den Zweiflern und Nichteinverstandenen, die jetzt kollektiv bestraft werden sollen. Gut, dass Ueli Maurer die Schweiz daran erinnert, was sie eigentlich ist. Schade, dass wir nur einen Ueli Maurer im Bundesrat haben.

R.K.

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