Weltwoche Kommentar 35/22

Kommentar

Den Konservativen gehört die Zukunft

D

ie Linke hat es fertiggebracht, die ehrenwerte politische Haltung des Konservativismus wirksam zu verleumden. In Deutschland gibt es keine Konservativen mehr. Das heisst: Es gibt natürlich immer noch Konservative, sehr viele sogar, aber sie trauen sich nicht, es zuzugeben, weil sie sonst brutal zermalmt werden in den linken Gesinnungsmühlen.

Auch in der Schweiz, die noch jeden deutschen Unsinn mit einem halben bis einem Jahr Verspätung zuverlässig nachmacht, ist «konservativ » zum Schimpfwort geworden. Konservativ ist rechts, und rechts ist verboten. Deshalb oute ich mich hier als konservativ und als rechts, ohne Relativierung oder Entschuldigung, weil man als vernünftiger Mensch heute nur noch konservativ und rechts sein kann.

Der Konservativismus, so, wie ich ihn verstehe, ist entstanden als Reaktion auf die Französische Revolution. Sein bedeutendster Wortführer war der irische Politiker Edmund Burke. Er störte sich daran, dass die Französische Revolution trotz achtbarer Motive zur gewaltsamen Raserei ausartete. Gegen den Wahnsinn der Ideologie predigte Burke Mässigung und Respekt vor dem Gewachsenen.

Der Konservative glaubt, dass erfolgreiche Gesellschaften nicht auf dem Reissbrett entworfen werden, sondern in der Lebenswirklichkeit entstehen, sich bewähren. Konservativ sein heisst, eine dem Leben und der Realität gemässe Denk- und Verhaltensweise zu pflegen. Der Konservativismus beruht auf Erfahrungen, nicht auf Ideen oder Dogmen. Deshalb ist er offen, diskussionsbereit.

Grundlegend ist das christliche Menschenbild. Die Bibel lehrt, dass der Mensch nicht perfekt ist. Perfektion ist unerreichbar. Alles, was er denkt und anfasst, wird zerfallen, Sternenstaub im Universum. Sein Urteilsvermögen ist mangelhaft. Die Sünde regiert. Keiner ist dem anderen moralisch überlegen. Die höchste Macht ist nicht von dieser Welt. Bescheidenheit ist Pflicht.

Die Schweiz ist ein konservatives Land. Unser Staat ist kein Automat zur Umsetzung abstrakter Prinzipien, sondern ein Verfahren zur Sicherung des Überlebens. Freiheit, Ordnung und Gerechtigkeit sind zentrale Werte, aufeinander abgestimmt und balanciert. Die Menschen sollen ihre Lebenslasten möglichst selber tragen. Links ist Staat, rechts ist Freiheit. Im Zweifel ist der Konservative rechts.

Der Konservative setzt aufs Bewährte, auf das, was in der Lebenspraxis funktioniert. Traditionen sind Schatzkammern der Erfahrung für ihn, Ansammlungen von Wissen, Pfeiler der Orientierung. Anstatt sie abzureissen, versucht er, sie zu verstehen. Und zu nutzen. Menschen sind schnell gelangweilt, wollen das Rad laufend neu erfinden. Der Konservative misstraut dem Neuen, nur weil es neu ist.

Es braucht die Rückbesinnung aufs Bewährte. Die letzten Jahre standen im Zeichen des Übermuts aus Überfluss.

Im Wort «konservativ» steckt das Wort «bewahren ». Der Auftrag der Konservativen besteht darin, zu pflegen und zu hegen, was uns aus guten Gründen lieb und teuer ist, zum Beispiel die Familie, die Freiheit, die Umwelt, den Wohlstand, die Toleranz; die Schweiz mit ihrer einzigartigen Demokratie und, ja, auch die Schöpfung, das Leben, das grösste, unfassbarste Geschenk.

Der Konservative ist nicht gegen Wandel, aber er lässt den Wandel aus sich selbst heraus geschehen, aus dem freien Zusammenwirken der Kräfte, anstatt ihn mit der Brechstange zu erzwingen. Nichts übertreiben, nichts überstürzen. Konservative sind nicht gegen die Vernunft, aber sie sind sich der Grenzen des menschlichen Vermögens bewusst.

Konservative sind Neinsager, Aufhalter. Sie stören die Umlaufbahnen der Gestalter, der Aufmischer, der Neuerer und Revoluzzer, der Beseelten und Überzeugten, die ihre persönlichen Werte, Vorurteile und Meinungen zum Mass aller Dinge machen wollen. Der Konservative weiss, dass sich das Böse stets für das unbestreitbare, absolute Gute hält und gerade deshalb böse ist.

Heute muss man wieder konservativ sein. Es braucht die Rückbesinnung aufs Bewährte. Die letzten Jahre standen im Zeichen des kreativen Leichtsinns, des Übermuts aus Überfluss. Das ist kein Vorwurf, das ist eine Feststellung. Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Die Menschen rennen immer wieder falschen Götzen hinterher. Krisen bringen das Solide, das Taugliche zurück. Unter Schmerzen.

Unsere Zeit hat etwas Fiebriges, platzende Eiterbeulen überall. Auch die Schweiz hat sich von ihren Werten entfernt. Die Politik traut sich alles zu, Experimente mit offenem Ausgang, im Höllengalopp durchgepeitscht, fast ohne Diskussion: Massloszuwanderung, Energie-Umbau, Rettung des Weltklimas, Russland- Sanktionen, Lockdown der Neutralität; schwindelerregende Gegenwart.

Konservative an die Macht! Es braucht mehr Konservativismus in der Schweizer Politik. Bewahren ist gefragt, Nachhaltigkeit im besten Sinn. Wer repariert unsere Staatssäulen, die Sozialwerke, das Militär? Wer schützt die Natur ohne grüne Ideologie? Kann man unseren immer ärger nach links kippenden Liberalen Freisinn und Marktwirtschaft noch anvertrauen?

Den Konservativen gehört die Schweizer Zukunft.

R.K.

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