Weltwoche Kommentar 20/21

Kommentar

Marchands Selbstbedienungsladen

K

ollege Benini von den CH-Medien hat es aufgedeckt: Die SRG-Spitze gewährt sich üppige Boni. Dabei hat der mit Zwangsgebühren finanzierte, staatlich hochgepäppelte Monopolbetrieb im letzten Jahr Kurzarbeit beantragt und Mitarbeiter entlassen.

Die SRG wird mit Zwangsgebühren finanziert. Sie hat aufgrund ihrer politisch gewollten Monopolstellung enorme Vorteile auf dem Werbemarkt. Zu Beginn der Covid-Krise schüttete der Bundesrat fünfzig zusätzliche Unterstützungs- Millionen aus. Die Gebühreneinnahmen stiegen auf 1,25 Milliarden Franken.

Trotzdem brachte die SRG im letzten Jahr das nicht unerhebliche Kunststück fertig, 13 Millionen Franken Verlust zu machen. Generaldirektor Gilles Marchand war unfähig, in der Pandemie einen Gewinn zu erwirtschaften. Er hat das wichtigste unternehmerische Ziel nicht erreicht, Leistung ungenügend.

Umso absurder wirken jetzt die Begründungen, mit denen die Chefs in den Prämientopf greifen. Ihre «variablen, leistungsabhängigen Lohnbestandteile» seien, wie es Marchand ausdrückt, «nicht an das Jahresergebnis des Unternehmens gekoppelt». Die gewinnunabhängige Bereicherung der oberen Angestellten sei deshalb legitim.

Da sich die SRG in manchen Teilen ihrer Berichterstattung längst von der wirtschaftlichen Lebenswirklichkeit ihrer Zuschauer abgekoppelt hat, erstaunt es kaum, dass die SRG-Direktoren auch ihre Gehälter von den betriebswirtschaftlichen Realitäten ihrer Firma abgekoppelt haben.

Aber da es sich hier um eine Realsatire handelt, die von den Schweizern unter Strafandrohung zwangsfinanziert werden muss, sind die konkreten Zahlen von politischem Interesse.

SRG-Generaldirektor Gilles Marchand kassierte insgesamt die stolze Summe von 533 000 Franken, davon über 100 000 Franken Prämie, für einen Bürokratenjob ohne jedes unternehmerische Risiko. Wo bleibt da die Leistung bei diesem «variablen, leistungsabhängigen Lohnbestandteil»?

Nathalie Wappler, die Direktorin, verdient rund 450 000 Franken, also gleich viel wie ein Bundesrat.

War es etwa eine besondere Leistung, die Zuschauerzahlen angesichts von Corona, Lockdown und Home-Office leicht zu steigern? War es etwa eine Leistung, die gesamte Sportberichterstattung faktisch einzustellen?

Natürlich sind die «leistungsabhängigen» Löhne keine «Boni» – dieses Wort wird tunlichst vermieden –, denn «Boni» gibt es nur bei den bösen Banken, nicht aber bei der guten SRG, deren Chefetage sich vom multiplen Vorwurf sexueller Belästigung in einem Zwischenbericht doch eben erst hat freisprechen lassen.

Nathalie Wappler, die SRF-Direktorin, verdient rund 450 000 Franken, also gleich viel wie ein Bundesrat. Die weiteren Mitglieder der Geschäftsleitung erhielten im Durchschnitt 390 000 Franken, 73 400 Franken davon als Bonus. Ein Zürcher Regierungsrat kommt auf 325 000 Franken. Zur SRF-Geschäftsleitung gehören Persönlichkeiten wie Chefredaktor Tristan Brenn oder neu Susanne Wille von der Abteilung Kultur.

Jetzt brodelt’s so richtig, nämlich bei den wohl ziemlich neidischen Journalisten, bei den Gebührenzahlern, aber vor allem bei den Mitarbeitern von SRG und SRF. Nicht wenige von ihnen verloren in der letzten Zeit ihren Job.

Mag sein, dass Bundesrätin Sommaruga von der Höhe der Löhne keine Ahnung hatte. Jetzt wiegelt sie ab, versucht zu beruhigen, verspricht irgendwie Abhilfe, hat aber letztlich doch nichts zu sagen. Denn beim Lohn pochen SRG und SRF auf ihre angebliche Unabhängigkeit.

Der Selbstbedienungsladen wuchert auch deshalb, weil es oberhalb der Selbstbediener keinen letztverantwortlichen Chef gibt, nur Mitprofiteure.

Der ebenfalls üppig bezahlte neunköpfige SRG-Verwaltungsrat hat keinerlei Interesse, die unanständigen Lohn- und Bonus-Exzesse zu zügeln. Denn das ihm untergebene Management ist Treiber der eigenen hohen Entschädigungen. Je mehr sie kassieren, desto höher fällt der Anteil des Verwaltungsrats aus.

Denn das fehlte ja noch beim Quasi-Staatsbetrieb, dass hierarchisch Untergebene im Verhältnis mehr verdienen als die Vorgesetzten.

Gemäss Insidern soll die Wut unter den Mitarbeitern am Leutschenbach gross sein. Sie verlangen von ihrer Mediengewerkschaft einen Frontalangriff auf Verwaltungsratspräsident Cina und Direktor Marchand.

Und die Radio- und Fernsehkonsumenten reiben sich die Augen. Schade, wurde seinerzeit eine für die Schweiz allzu radikale «No Billag»-Initiative abgelehnt. Wetten, dass eine Gebührenhalbierungsinitiative heute angenommen würde?

R.K.

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