Weltwoche Kommentar 18/21

Kommentar

Staatlich gewollter Organraub

G

eht es nach dem Willen von Bundesrat und Parlament, dürfen die Schweizer künftig am Ende ihres Lebens von Ärzten ausgeweidet werden, ausgeschlachtet wie herrenlose Wracks auf einem Autofriedhof.

Früher musste man die Organspende ausdrücklich erlauben. Nach dem neuen Transplantationsgesetz müsste man den staatlich gewollten Organraub ausdrücklich verbieten. Wer sich nicht wehrt, droht als menschliches Ersatzteillager zu enden.

Das sind keine überspannten Science-Fiction- Fantasien. Das ist harte Realität. Ursprung ist die Volksinitiative «Organspende fördern – Leben retten». Sie fordert den Systemwechsel, wonach der verstorbene Erwachsene automatisch Organlieferant ist, sofern er zuvor nicht schriftlich seinen Widerspruch erklärt hat.

Der bundesrätliche Gegenentwurf ist nur unmassgeblich abgemildert. Auch dort muss ich meine posthume Ausweidung ausdrücklich verbieten. Tue ich das nicht, können die Angehörigen entscheiden. Die Staatsmedizin lauert mit gezückten Skalpellen über meinem noch warmen Leichnam.

Volksinitiative wie Gegenvorschlag bringen die Verstaatlichung des Körpers. Die Gesundheitsbehörden sollen einfacher auf Lebern, Lungen, Nieren und andere Innereien der Bürger zugreifen dürfen. Der Durchgriff wäre ein Dammbruch der Staatsmacht ins Innerste des Menschen.

Nach dieser Logik ist der Begriff «Organspende » irreführend, falsch. Wenn ich meine Organe automatisch freigebe, sofern ich mich nicht schriftlich weigere, ist das keine Spende, sondern die Abtretung von Körperteilen, auf die der Staat längst einen besitzergreifenden Anspruch erhebt.

Gesetz wie Initiative verschieben somit die Eigentümerschaft am menschlichen Körper vom Menschen hin zum Staat. Die Organe, über die ich zeitlebens verfüge, sind gleichsam nur geliehen vom Kollektiv, das sie nach meinem Tod wieder in Besitz nimmt. Das Transplantationsgesetz macht den Menschen buchstäblich zum Staats-Organ.

Gespenstisch ist die Selbstverständlichkeit, mit der heute auch Bürgerliche diesem Ausbau der staatlichen Verfügungsmacht über den Einzelnen zustimmen. Seine körperliche Souveränität, die Integrität des Menschen wird dem Begehren der Gemeinschaft unterstellt.

Der Verstorbene als rezyklierbarer Körperhaufen ist abstossend, eine Frankensteinvision.

Freiheit beginnt immer mit der Unversehrtheit des eigenen Körpers. Zu Recht werden gewalttätige Übergriffe, Körperverletzungen hart bestraft. Aber auch Leichenschändung und die Verwüstung von Gräbern gelten als barbarisch. Der Mensch gibt mit seinem Tod nicht seine Würde ab.

Dass nun jeder, der nicht schriftlich widersprochen hat, wie beim Metzger von den Organverwertern ausgenommen werden kann, wäre ein zivilisatorischer Rückschritt, eine Schande für einen freiheitlichen Staat wie die Schweiz, die besonderen Wert auf die Achtung der individuellen Freiheit legen sollte.

Der schiefe Eigentumsbegriff der Leichenräuber geht sozialistisch von der All- und Übermacht des Staates aus. Eigentlich gehören wir alle dem Staat. Auch was wir verdienen, ist im Grunde Staatsbesitz. Dank «Steuergeschenken» dürfen wir wenigstens einen Teil davon behalten.

Ist der Lohn, der uns nach Steuern bleibt, ein Geschenk der gnädigen Obrigkeit? Sind unsere inneren Organe freundliche Leihgaben der staatlichen Gemeinschaft, an die wir sie in einem Akt gesetzlich erzwungener Solidarität schliesslich wieder zurückgeben?

Um Himmels willen: nein!

Es läuft einem kalt den Rücken hinunter, wenn man sich auf die Geisterbahn dieser Gedankengänge einlässt. Der verstorbene Mensch als rezyklierbare Körperteildeponie seiner ungeduldig wartenden Mitmenschen ist abstossend, eine Frankensteinvision.

Wenn der Staat die Organspende fördern will, dann soll er Aufklärung betreiben. Es gibt genügend PR-Beauftragte, die sich in Bern auf den Füssen herumstehen. Sie sollen versuchen, die Leute davon zu überzeugen, anstatt gesetzlich, machtmässig auf sie einzuwirken.

Wir wollen keine Schlachtbankschweiz. Jeder soll selber bestimmen, ob er seine Organe spenden will. Wer das nicht ausdrücklich tut, hält sich damit den Staat vom Leib. Die Behörden haben nichts in den Innereien des Verstorbenen verloren.

Vielleicht sind viele Politiker nach einem Jahr Corona abgestumpft. Manche wären hell begeistert, wenn der Staat noch stärker in die Körpersäfte seiner Bürger hineinregieren dürfte. Es wäre die Vollendung ihrer Träume technokratischer Macht.

Vor nicht allzu langer Zeit war dergleichen nur ein satirischer Filmstoff. In Stanley Kubricks «Dr. Strangelove» fürchtet sich ein paranoider US-General davor, dass ihm die Russen «an die Körpersäfte» wollen. Was haben wir vor dem Fernseher gelacht.

Heute ist die Satire Wirklichkeit. Längst sind sie an den Körpersäften dran. Dr. Strangelove sitzt im Bundeshaus.

R.K.

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