Fader deutscher Kopfsalat
ur wer nichts sagt, kommt überall gut an. Diesem Satz leben derzeit die meisten Politiker in Deutschland nach.
Der allmählich anrollende Wahlkampf ist eine skurrile Veranstaltung.
Die Grünen haben soeben ihre Kanzlerkandidatin bestimmt in einem Verfahren, gegen das eine Papstwahl wie direkte Demokratie anmutet.
Einst stand diese Partei für mehr Basisdemokratie in Deutschland.
Kaum ist die Macht in Sicht, haben die Grünen diesen Grundsatz aus ihrem Programm gestrichen.
Gerade noch rechtzeitig.
Annalena Baerbock, die Gekürte, gibt sich alle Mühe, so zu reden, dass es harmlos klingt.
Wer aber an der grünen Aussenfarbe kratzt, dem leuchtet bald ein schrilles Rot entgegen.
Baerbock glaubt an den Staat, an die lenkende Weisheit der Politiker.
Sie will Deutschlands Industrie von oben umgestalten. Das ganze Land soll «klimafreundlich » neu geordnet werden.
Dirigismus, Planwirtschaft pur.
Interessant ist, dass die CDU erneut einen Parteichef gewählt hat, dem sie die Kanzlerschaft kaum zutraut.
Armin Laschet, so die Hoffnung, sei der meistunterschätzte Politiker der Bundesrepublik.
Auch von ihm ist kein programmatischer Satz bekannt, an den man sich erinnern könnte.
Bei der SPD bewirbt sich ein Kandidat, der eine andere Politik will als seine Partei.
Dann gibt es noch die Liberalen, die wenig Greifbares sagen, das allerdings brillant.
Einem Bekannten fiel zum Wahlkampf die singende Musikantengruppe Kelly Family ein.
Das stimmt. Die deutsche Politik ist eine einzige grosse Kelly Family.
Alle spielen unterschiedliche Instrumente, aber eine ähnliche Melodie. Alle haben die ungefähr gleiche blassrötliche Haarfarbe.
Abseits der Bühne in einem Giftschrank steht die Alternative für Deutschland (AfD).
Sie ist die einzige Partei mit einem Programm, das ausserdem nicht eindeutig links ist.
Früher hätte man es in Deutschland bürgerlich genannt. Heute muss man «rechtsextrem» sagen, um nicht selber in Verdacht zu geraten.
Die Abstempelung der AfD zum Gruselkabinett ist ein Grosserfolg der Etablierten und ihrer Medien.
Die deutsche Politik ist eine grosse Kelly Family. Fast alle haben die gleiche blassrötliche Haarfarbe.
Die Rechten haben es ihren Gegnern allerdings auch leicht gemacht.
Im bürgerlichen Rückraum gewinnt gerade Friedrich Merz wieder etwas an Statur.
Zwei Mal bewarb er sich für den CDU-Vorsitz, zwei Mal vergeblich.
Sein Problem: Er wirkt oft düster, ein finsterer Zahnarzt, der Wurzelbehandlungen androht – ohne Narkose.
Aber wenigstens hat dieser Politiker eine Linie, die man sehen kann. Was wiederum der Grund sein muss, warum er in dieser CDU nicht Chef wurde.
as hat das absurde Theater zu bedeuten? Deutschlands Politik ist dekadent geworden.
Kanzlerin Merkel hinterlässt nach 16 Jahren einen Brei. Ihre Strategie der Machtgewinnung hat ihren einstigen Kanzlerwahlverein CDU zur hohlen Hülle entkernt.
Die Parteien debattieren nicht mehr über Positionen und Programme. Sie haben aufgehört zu streiten.
Der deutsche Politikbetrieb wirkt komatös.
Das war früher anders. Ur-Kanzler Konrad Adenauer heizte den Linken noch mit wilden Plakaten ein: «Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau.»
Unter Helmut Kohl polemisierten die Bürgerlichen mit Anzeigen gegen links, auf denen rote und grüne Würmer an gesunden deutschen Äpfeln nagten.
Heute gibt es nur faden Kopfsalat. Personen statt Inhalte. Karrieren statt Konzepte.
Politik ohne Inhalt aber ist ein Betrug am Wähler.
Demokratie braucht Debatte, Standpunkte, Auseinandersetzung, Auswahl, Alternativen.
Die deutsche Politik aber will, duldet keine Alternativen. Alternativen werden durch den Staatsschutz überwacht.
Demokratie ohne Alternativen ist das Gegenteil von Demokratie.
Für die Politiker freilich ist es bequemer, wenn sie den Sachbezug vermeiden.
Sie sind dann freier, ungehinderter auf der Jagd nach lukrativen Pöstchen.
Die deutschen Wähler können einem leidtun. Sie müssen so viele Lasten tragen, auch europäische. Sie hätten eine bessere Politik, bessere Politiker verdient.
R.K.