Weltwoche Kommentar 12/23

Kommentar

Schurkenstaat

Souverän ist, wer über den
Ausnahmezustand entscheidet.
Carl Schmitt

N

ein, die Schweiz ist nicht am Tiefstpunkt. Es war schon schlimmer. 1798 fielen die Franzosen ein. Die alte Eidgenossenschaft brach morsch zusammen. Kurz darauf starteten die Eidgenossen wieder durch – ganz vorne dabei übrigens Alfred Eschers Wunderbank Kreditanstalt!

Aber: Dieser Entscheid ist eine Katastrophe für die Schweiz, vielleicht ein Verbrechen, jedenfalls: ein Kapitalfehler unserer Regierung und unserer Notenbank. Anstatt sich schon vor Monaten hinter die Credit Suisse (CS) zu stellen und damit hinter unseren Finanzplatz mit einem unmissverständlichen, erdbebensicheren Signal der Stärke, des Vertrauens, haben sie die Traditionsbank fallenlassen, abgestochen, erdolcht, ins Grab gestossen, verramscht für einen skandalösen Schleuderpreis.

Angsthasen regieren die Schweiz.

Weit gravierender noch, niederschmetternd, eine Untat, die auf die Schweiz bald eine Monsterwelle an Prozessen und Sammelklagen zurollen lässt: Der Bundesrat versenkt nicht nur eine Traditionsbank. Er versenkt den Schweizer Rechtsstaat, das Erbe von Generationen, die Verlässlichkeit, den Ruf der Schweiz als sturmfeste Burg von Sicherheit und Eigentum, alles massakriert, weggefräst mit der Kettensäge des Notrechts an einem Sonntagnachmittag im März.

Die Schweizer schimpfen gerne über Autokraten und Diktatoren, über die Putins und die Xi Jinpings der Welt, aber sie merken nicht, dass sie längst selber von Despoten regiert werden. Zweieinhalb Jahre Corona, Klimawahn und Kriegsgetrommel haben die Schweiz verändert. Ein neuer autoritärer Stil zieht ein. Der Bundesrat entdeckt seine Freude am Befehlen, hebelt Grundrechte aus. Der Diebstahl von Aktionärsmilliarden, die Enteignung einer Grossbank sind pure Diktatur.

Es war auch keine Rettung, wie sie behaupten, es war Mord. Bis vors Wochenende beruhigte die Aufsicht, beschwichtigte der Bundesrat, die CS sei stabil, die Bilanz solide, die Turbulenzen eine vorübergehende Vertrauenskrise, eine Klemme, es bestehe nicht der geringste Grund zur Sorge. Entweder haben sie gelogen, oder sie haben sich kolossal geirrt. Nach solchen Parolen darf man doch eine Bank nicht einfach abmurksen – Super- GAU auch für Nationalbank-Chef Thomas Jordan und die Finanzmarktaufsicht (Finma).

Der «Deal», die «Lösung», die «Rettung», die mit dem Tod des Geretteten endet, beschäftigt bereits Legionen von Juristen. Mit der Willkür- Brechstange des Notrechts hat der Bundesrat die Aktionäre und Obligationenbesitzer enteignet. So etwas hat es in der Schweiz noch nie gegeben. Das wird sich rächen. Es wird die Schweiz heimsuchen. Über der Schweiz liegt jetzt ein Fluch, der Fluch der bösen Tat. Dieser Verrat an den Eigentümern, dieses Attentat auf unseren Rechtsstaat wird Folgen haben.

Was eigentlich ist von der Schweiz nach diesem Wochenende noch übrig?

Die Schweiz schafft sich ab. «Bananenrepublik » ist zu harmlos. «Schurkenstaat» trifft es besser. Es ist eine Schande. Erneut verrät der Bundesrat die Kundschaft unserer Banken, die auch Kunden unserer Schweiz sind, die an Recht und Ordnung glauben, an die Demokratie, die Stabilität. Unsere Regierung macht die Schweiz zur Unschweiz, zur Anti-Schweiz, die der Neutralität den Garaus macht, die Grenzen für Halunken öffnet, Wirtschaftskriege führt und den Flaggen fremder Staaten huldigt.

Jetzt also noch der staatlich orchestrierte Selbstmord, diese der CS und ihren Eigentümern aufgezwungene Sterbehilfe, ein gewaltsamer Exit, die vielleicht schlechteste aller Varianten. Der Bundesrat amputiert ein Stück Geschichte, schneidet der Schweiz eine ihrer grossen Herzkammern der Wirtschaft heraus. Ein aufgescheuchtes Panikorchester, das den Kopf verloren hat, gibt unser Land der Verachtung und einer internationalen Klagewelle preis. Man kann sich nur schämen.

Was eigentlich ist von der Schweiz nach diesem Wochenende noch übrig? An der Medienkonferenz prahlte der Bundespräsident, endlich einmal nicht mehr selber im Visier, man habe zur CS «vier Sitzungen an vier Tagen» durchgeführt. Hoffentlich überarbeiten sie sich nicht in Bundesbern! Finanzministerin Karin Keller-Sutter erzählte strahlend von ihren Telefonaten mit den Kollegen in den USA und Grossbritannien. Kamen die Befehle von dort? Das CS-Ende, ein Auftragsmord?

Viele Schweizer weinen der Credit Suisse keine Träne nach. Für sie ist die Bank der Inbegriff von Korruption und Selbstbereicherung, eine kriminelle Organisation, bei der die Manager jahrelang die Aktionäre plünderten, um sich selber schamlos die Taschen zu füllen. Die Befunde stimmen haargenau, aber sie greifen zu kurz. Trotz allen Missetaten verdankt die Schweiz ihren Grossbanken unschätzbar viel, viel mehr als nur Skandale. Wir werden es bald spüren.

Mit der Übernahme entsteht die grösste UBS, die es jemals gab. Die vor fünfzehn Jahren vom Staat bereits einmal gerettete Grossbank ist jetzt sozusagen nochmals gerettet, «überrettet» worden. Vor den Medien setzte UBS-Präsident Colm Kelleher, der Ire, gelernter Historiker, sein freundlichstes Raubtierlächeln auf, ein Fuchs auf Beutejagd in einem Stall von Hühnern. Er krallte sich die CS, die mindestens das Zehnfache wert ist, zu einem Schnäppchenpreis von lächerlichen 3 Milliarden Franken.

Karin Keller-Sutter feierte die Einigung. Sie ist ein fürchterliches Debakel für den Bundesrat. Nicht nur verschenkt er gegen den Willen ihrer Aktionäre die CS an ihren Konkurrenten. Man wirft der UBS nun auch noch 16 Milliarden vermutlich illegal enteignete Wandelanleihen hinterher plus Bundesgarantien im Wert von 9 Milliarden sowie eine Liquiditätsreserve von 200 SNB-Milliarden. Mit diesem Geld hätte die Schweizerische Nationalbank die CS dreimal retten können.

D

ie Schweiz geht den Bach runter. Wer sein Tafelsilber dermassen in den Dreck wirft, hat den Wohlstand nicht verdient, den seine Vorfahren im Schweisse ihres Angesichts sprichwörtlich «erschuftet» haben. Dafür jubeln jetzt die Amerikaner, auch die Briten. Sie schiessen seit Jahren scharf auf unsere Banken, um ihre Imperien auszubauen. Kein Zufall, auch kein Wunder: Die jüngsten Schrottpapiere in den CS-Büchern stammen aus den Giftküchen Grossbritanniens und der USA.

Die CS war in vielem Sinn- und Abbild, auch Opfer der Irrwege, auf denen sich unsere Politik bewegt, nach wie vor: Euroturbo-Fieber, Zeitgeistseuche, Geldgier, politische Korrektheit, Genderwahn und Klimareligion. Ist der Untergang, der politisch orchestrierte Dolchstoss gegen die Credit Suisse, die fast so alt ist wie unser Bundesstaat, der Anfang vom Ende? Oder die Wende? Gesundet an der Credit Suisse gar wundersam die Schweiz? Wir wollen nicht aufhören, es zu hoffen.

R.K.

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