Weltwoche Kommentar 10/21

Kommentar

Die Schweiz ist grossartig

D

ie Schweiz ist ein Wunder. Dass es überhaupt ein Land gibt wie die Schweiz, ist eine Sensation. Es ist alles andere als selbstverständlich.

Natürlich kann die Schweiz untergehen. Das, was uns auszeichnet, Freiheit, ist eine Errungenschaft. Sie muss gewollt, verteidigt werden, stets aufs Neue.

Es lohnt sich, für die Schweiz zu sein.

Ich sage das ohne jede Überheblichkeit. Die Schweizer sind keine besseren Menschen, sie haben nicht die besseren Gene.

Im Gegenteil: Wir sind aus dem gleichen krummen Holz geschnitzt wie alle anderen. Umso beeindruckender ist das Weltwunder unserer Demokratie.

Eigentlich sprach alles dagegen. Als die drei Eidgenossen am Vierwaldstättersee den Schwureid auf die Freiheit leisteten, herrschten in Europa Könige.

Die Schweiz war immer der stachlige Gegenentwurf zum Zeitgeist, das trotzige Nein dieser Alpenbewohner zu den scheinbaren Herrlichkeiten der sie umzingelnden Monarchien.

Als Europa in der Raserei eines religiösen Weltbürgerkriegs versank, lebten in der Schweiz fast friedlich die Konfessionen mit- und nebeneinander.

Nie liess sich die Schweiz vom Wahnsinn ihrer Umgebung anstecken: Imperialismus, Chauvinismus, Sozialismus, Nationalsozialismus, Europäismus tropften ab.

Notfalls verschanzte man sich in den ausgehöhlten Bergmassiven. «Isolationismus» ist vernünftig, wenn um einen herum die Welt durchdreht.

Die Schweiz ist der geniale Sonderfall eines Nationalstaats ohne Nation. Schweizer wird man nicht durch Geburt, sondern durch die Liebe zur Freiheit unserer direkten Demokratie.

«Wir Schweizer regieren uns selber.» Noch heute löst dieser aufrechte, für uns selbstverständliche Satz in der EU Wutanfälle aus. Weil sie uns beneiden.

Das Erfolgsrezept der Schweiz ist einfach, aber nicht banal: Jeder, der etwas leisten will, kann sich hier entfalten. Egal, woher er kommt.

Die grösste Lüge ist, die Schweizer seien gegen Fremde, gegen Ausländer. Unsinn. Die Schweizer haben nichts gegen Leute, die legal ins Land einreisen.

Von der unglaublichen «Freiheit der Leistung» sprach der frühere Weltwoche-Chefredaktor Lorenz Stucki. Der freisinnige Urschrei ist die Religion des Erfolgs in unserem Land.

Die Schweizer sind die Amerikaner Europas, die britische Insel auf dem Festland und doch ganz anders. Was sie mit diesen Staaten verbindet, ist die Freiheitsliebe.

Liebe kann rosten. Sie kann auch einschlafen. Oder verschwinden. Man kann die Freiheit vergessen. Manchmal verschwindet sie einfach.

Der grösste Feind der Freiheit ist die Politik, ist der Staat, der die Freiheit ermöglicht, aber immer auch bedroht. Gefährlich wird der Staat, wenn er das besonders Gute will.

Schlimmer als eine Diktatur ist eine Diktatur, die niemand zugibt. Im Bundeshaus stritten sie dieser Tage über die Corona-Diktatur. Lockdown oder Freiheit? Links oder rechts?

Die SVP war für die Freiheit, allein auf weiter Flur. Die Mitte schmolz nach links. Die FDP kippte um. Parteichefin Petra Gössi war nicht einmal in Bern.

Es war ein Sinnbild der Melancholie. Der grösste parlamentarische Freiheitskampf in der Schweiz seit 1848 fand ohne die freisinnige Parteipräsidentin statt.

Sie weilte in St. Gallen, um sich an der Hochschule für ihre Laufbahn als Verwaltungsrätin fortzubilden. Karrieremaschine Bundeshaus.

Die Linken trumpften auf: mehr Lockdown und noch mehr Geld für die Schäden, die der Lockdown der Linken verursacht, insgesamt 19 Milliarden Franken.

Anstatt zu öffnen, narkotisieren sie die Schweiz mit Geld, das ihnen nicht gehört. Und schaffen die Voraussetzung, um gar nicht aus dem Lockdown auszusteigen.

Die gute Nachricht lautet: Die Schweiz geht nicht unter, wenn die Politik versagt. Die letzte Verteidigungslinie unseres Landes sind die Schweizer.

Dabei wäre es so einfach. Die Bürgerlichen, die Rechten, die Liberalen, die Konservativen, wie immer wir sie nennen wollen, müssten sich nur, wie früher, auf die Freiheit einigen.

Freiheit heisst konkret: weniger Staat, weniger Vorschriften, weniger Verbote, weniger Steuern und Abgaben. Weniger Lockdown. Der Staat soll die Leute machen lassen.

Jeder Steuerfranken, der nicht erhoben wird, ist ein Sieg für die Freiheit. Jedes Gesetz, das nicht zustande kommt, entlastet die Schweiz.

Die Rechten, die Bürgerlichen lieben die Menschen. Sie sehen, wenn sie die Schweiz anschauen, Potenzial, Chancen, Möglichkeiten.

Es kommt gut, wenn man die Leute in Ruhe lässt. Jeder soll und kann aus sich das Beste machen. Gute Politik hält sich zurück, macht Selbstentfaltung möglich.

Die Linken lieben nicht die Menschen. Sie lieben die Menschheit. Für den Menschen haben sie nur Vorschriften, Verbote, Steuern übrig.

Die Linken sehen keine Chancen, wenn sie die Schweiz anschauen. Sie sehen nur Opfer. Denen geholfen werden muss.

Die Linken glauben nicht an die Menschen. Sie glauben an den Staat, an die Macht, die helfen soll. Sie hassen die Freiheit, das Gegenteil der Macht.

Die Rechten gewinnen, wenn sie für die Freiheit sind. Das erfordert Selbstbewusstsein, Rückgrat. Viel bequemer ist es, für die Unfreiheit zu sein.

Ich bleibe zuversichtlich. Die Schweiz ist stärker als Corona, stärker als die Politik. Das Virus ist ein Augenöffner. Es macht sichtbar, was fehlt: die Freiheit, Seele der Schweiz.

R.K.

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