Weltwoche Editorial 36/19

Editorial

China, Umweltpakt

Von Roger Köppel

Trumps aussenpolitischer Irrtum. Uno auf dem Weg ins Mittelalter.

Mein Verdacht: US-Präsident Donald Trump hat keinen Plan gegenüber China. Es ist die übliche Oberflächlichkeit der amerikanischen Aussenpolitik: Die Amerikaner sehen mit Blick auf andere Länder am Ende meistens, eigentlich immer, nur sich selbst. Deshalb halten sie die Chinesen für eine expandierende, weltausgreifende Macht, die sich ähnlich dominant verhalten möchte wie die Amerikaner. Aber stimmt das? Die Chinesen sind eine uralte Territorialmacht, keine Seemacht wie die USA. Sie haben ihre Kriege mehrheitlich in heimischen Gebieten und der näheren Umgebung geführt, sicher weniger weltumspannend als die USA. Seit Jahrhunderten versuchen die Chinesen, eine klassische Händlernation, über ausgedehnte Handelsrouten und Seidenstrassen ihre Produkte zu verkaufen.

Klar, es ist möglich, dass die Chinesen ihren Charakter verändern oder bereits verändert haben. Wer immer mehr Macht und mehr Geld hat, kann Verlockungen erliegen und Dinge tun, auf die er früher verzichten musste. Zudem ist die chinesische Regierung im Wandel vom Steinzeitkommunismus zur hybriden Form einer sozialistischen Marktwirtschaft, wobei die Chinesen heute kapitalistischer unterwegs sind als manche EU-Mitgliedstaaten; und Peking ist noch kein natürlicher Sympathieträger. Der Umgang mit Dissidenten und Minderheiten flösst im Westen noch nicht uneingeschränktes Vertrauen ein, um es zurückhaltend auszudrücken.

Trotzdem: Die aggressive Konfrontationsstellung der Trump-Regierung gegen China geht von Voraussetzungen aus, die möglicherweise falsch sind. Sehr gut denkbar, dass die Chinesen eine andere, freundlichere Aussenpolitik betreiben als die Amerikaner. Vielleicht darf man ihnen sogar glauben, wenn sie sagen, es gehe ihnen vor allem um Wohlstand und weniger um Macht. Schliesslich: Ist es nicht legitim, dass die Chinesen, denen der Westen im 19. Jahrhundert schreckliche Kolonialverbrechen antat, etwas pikiert reagieren, wenn die gleichen Westler, die China den Opiumkrieg gebracht haben, heute mit dem erhobenen Zeigefinger operieren und aussenpolitischen Druck aufsetzen?

Die US-Regierung, so weit mein Eindruck, macht Innenpolitik durch Aussenpolitik gegen China. Trump markiert den harten Mann, um seine Wähler zu beeindrucken, vor allem die zahllosen arbeitslos gewordenen Fabrikarbeiter, deren Jobs nach Asien, Vietnam und zunächst sicher auch nach China ausgewandert sind. Indem Trump die Chinesen mit harten Zöllen belegt, gibt er diesen «deplorables», wie sie Hillary Clinton abschätzig nannte, das Gefühl, er tue etwas für sie; er werde die Jobs, die die Chinesen «geklaut» haben, wieder zurückbringen.

Das ist natürlich kompletter Unsinn. Das Problem der Amerikaner ist punkto Fabrikarbeitsplätze nicht China, sondern der Mangel an eigenen, gutausgebildeten Fachkräften aufgrund eines miserablen Schulsystems. In den USA gebe es, sagt man, nur Nobelpreisträger und Hilfsarbeiter, dazwischen nichts. Das hat was. Anstatt auf die Chinesen einzudreschen, könnte Trump ein duales Bildungssystem wie in der Schweiz aufziehen, um überhaupt die Arbeiter zu bekommen, die eine konkurrenzfähige Produktion braucht.

Ich bin sicher: Trump ist intelligent, er weiss das. Aber er weiss auch: Der Umbau eines Bildungssystems dauert lange und produziert nicht von Beginn weg Erfolg. Man muss zuerst untendurch. Gift vor den Wahlen. Da ist es leichter, die Konfrontation mit einem weitentfernten Land zu suchen, das sich als Feindbild bestens eignet. Was aber ist Trumps Ziel? Will er mit den Chinesen einen Deal? Will er sie mit Zollschranken zumauern? Was ist das Endspiel? Ich fürchte, die Amerikaner wissen es selber nicht. Sie hauen drauf, aber nicht zu sehr, denn sonst heisst es, Trump sei schuld an einer Rezession. Das mag auch der Grund sein, warum der Präsident neuerdings der amerikanischen Notenbank reinredet, auf dass die Zinsen vor den Wahlen schön tief bleiben. Amerika hat viele bewundernswerte Vorteile und Stärken, aber leider sind die Amerikaner auch globaler Marktleader des Narzissmus, einer gelegentlich allzu ausgeprägten IchBesessenheit, die den Blick verstellt auf andere Kulturen.

Die Vereinten Nationen, dieser verdienstvolle Verbund ehrgeiziger Politiker, die intensiv damit beschäftigt sind, der Welt zu beweisen, dass die Uno die grösste und einzige Quelle des Guten auf diesem Planeten ist, haben nach dem Migrations- und Flüchtlingspakt nun erwartungsgemäss auch einen globalen «Umweltpakt» verfasst. Der Entwurf geistert zur Begutachtung bereits im Bundeshaus herum.Es handelt sich, sollte der Pakt jemals durchkommen, was so sicher ist wie das Amen in der Kirche, um eine rechtlich unverbindliche, also dem demokratischen Prozess enthobene, dafür politisch um so verbindlichere Vorschriftensammlung. Staaten, die den Vertrag unterzeichnen, sind gehalten, den «Klimawandel » durch «staatliche Beihilfen» zu bekämpfen. Sie sollen alle staatlichen und wirtschaftlichen Unternehmungen auf ihre «Umweltverträglichkeit » hin prüfen lassen. Kontrollbürokratien sind aufzubauen, Berichte zu schreiben, und ausserdem verpflichten sich die Regierungen darauf, «Masseninformationsmittel» bereitzustellen «mit erzieherischem Charakter über Ökosysteme und über die Notwendigkeit von Umweltschutz». Kurz: Propaganda.

Am besten aber finde ich Artikel 6, «Vorsorge»: Im Falle eines Risikos von «schweren oder unumkehrbaren Umweltschäden», wie zum Beispiel durch Klimawandel, dürfe das «Fehlen von wissenschaftlicher Gewissheit kein Grund sein, wirksame und angemessene Massnahmen zur Verhinderung von Umweltschäden auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben». Mit anderen Worten: Umweltschutz ist für die Uno keine Frage wissenschaftlicher Gewissheiten mehr, sondern eine Art offenbarte, sich selbst rechtfertigende Glaubenswahrheit, die ausdrücklich auch ohne wissenschaftliche Grundlage gelten und nach der gehandelt werden soll.

Ohne es vermutlich zu wollen, offenbart der Uno-Umweltpakt damit den tief antiaufklärerischen, geradezu mittelalterlichen Denkstil einer modernen, radikalen Umweltreligion, die Gott entmachtet und an dessen Stelle den Menschen in seiner Eigenschaft als gläubig-rot- grüner Politiker installiert hat.

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