Weltwoche Editorial 24/20

Editorial

Waffe der Verzweiflung

Von Roger Köppel

Rassismus und Wahlkampf in den USA.

S

ind die USA ein «systemisch» rassistisches Land? Es wird behauptet. Die Medien beten es nach. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel bringt ein Titelbild, das den amerikanischen Präsidenten mit einem Zündholz in der Hand zeigt. Im Hintergrund brennen Strassen und Häuser. Trump, der Brandstifter, der «Feuerteufel».

Widerspruch ist gefährlich. Wer die These bestreitet, dass die Fäulnis des Rassismus am Kern des amerikanischen Staatswesens nage, läuft Gefahr, selber als Rassist ins Visier der Gerechtigkeitskrieger zu geraten. Die repressive Toleranz der Wohlmeinenden richtet sich gegen alles und jeden, der sich die Freiheit herausnimmt, eine andere Meinung zu haben.

In den USA landete ein bekannter weisser Football- Professional am Pranger. Sein Verbrechen? Er postete einen Film im Netz, in dem er erklärt, warum die amerikanische Flagge für ihn kein Schandmal von Unterdrückung und Rassenhass darstelle, sondern ein Respektssymbol der Freiheit. Seine Grossväter hätten im Zweiten Weltkrieg gegen die Nazis gekämpft. Der Shitstorm war gigantisch. Tags darauf musste sich der Footballspieler geknickt entschuldigen wie vor einem Tugendgericht der Französischen Revolution.

Sind die USA ein «strukturell» rassistisches Land? Wahr ist, dass die Vereinigten Staaten von Sklavenhaltern gegründet wurden. Die Väter der Verfassung besangen Freiheit und Gleichheit und fanden nichts dabei, Menschen anderer Hautfarbe als persönliches Eigentum zu halten. Der Verfasser der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, der Plantagenbesitzer Thomas Jefferson, zeugte mit einer Sklavin zahlreiche Kinder.

Wahr ist aber auch: Die Amerikaner befreiten sich und die Schwarzen in einem äusserst blutigen Bürgerkrieg vom Joch der Sklaverei. Über 600 000 Menschen starben. Mehr als 300 000 Nordstaatler und ihr Präsident Abraham Lincoln gaben ihr Leben, um die Schande der Leibeigenschaft zu beenden. Die Diskriminierungen gingen weiter, aber ebenso die Anstrengungen der Behörden, die Ungerechtigkeiten aufzuheben.

Die Amerikaner opferten Zehntausende, um das Rassistenregime Hitlers im Zweiten Weltkrieg zu beseitigen. Sie schützten mit ihren Raketen Europa davor, von der Sowjetunion versklavt zu werden. Mit nobler Vergeblichkeit schickten sie ihre Truppen in die Wüsten und Urwälder dieser Welt, um befreundeten Staaten, die sie von Mächten der Finsternis bedroht sahen, zu Hilfe zu eilen. Die Amerikaner haben überall ihre Freiheit verteidigt, aber oft eben auch die Freiheit anderer.

Ein «strukturell» rassistisches Land wählt kaum für zwei Amtsperioden einen Schwarzen ins höchste Regierungsamt. Barack Obama setzte sich zweimal gegen weisse Gegenkandidaten durch. Auch der derzeitige Amtsinhaber ist kein Redneck aus den Wäldern Georgias.

Donald Trump, der Unternehmer, verbrachte Jahre im Showgeschäft. Viele seiner Freunde sind schwarze Sportler und Entertainer. Sein Schwiegersohn entstammt einer jüdischen Familie. Als Trump vor vier Jahren gewählt wurde, stimmten die Schwarzen und Hispanics in rekordverdächtiger Zahl für den weissen Republikaner. Seine Umfragewerte bei den schwarzen Wählern sind während der Unruhen sogar noch gestiegen, von 26 Prozent auf für einen Republikaner sensationelle 40 Prozent. Was die Medien verschweigen.

Das neue Modewort lautet «struktureller Rassismus ». Der Begriff hat den Vorteil, dass er sich selber begründet. Man nehme jede mutmasslich rassistische Untat und leite daraus die gewünschten Verallgemeinerungen ab. So wird aus der statistischen Tatsache, dass unter den Straftätern, Armen und Gescheiterten überdurchschnittlich viele Schwarze zu finden sind, die selbstverständliche Behauptung, der unausrottbare, angeborene, «strukturelle» Rassismus sei schuld. Die Opfertheorie bedient sowohl das Selbstmitleid der angeblich ewig Diskriminierten wie auch den Schuldkomplex der angeblich ewigen Unterdrücker. Sie schmeichelt jenen, die sich jetzt als grosse Helden dieser neuen, eingebildeten Sklavenbefreiung inszenieren.

Eine fatale Rolle spielen die Medien. Sie haben den unbestrittenen Fall polizeilicher Brutalität gegen George Floyd, einen verurteilten Gewaltkriminellen, in Minneapolis ansatzlos zum rassistisch motivierten Verbrechen erklärt. Elementare Verfahren des Rechtsstaats wurden weder gefordert noch abgewartet. Willig erliegen die Journalisten der Versuchung, den Einzelfall zum nützlichen Symbol einer allgemeinen Rassenunterdrückung in den USA hochzustemmen. Die emotionale Schockwirkung der Bilder ersetzt jedes Argument. Wer sich ihr entgegenstellt, droht von der Wutwalze überrollt zu werden.

Aus Distanz fällt es schwer, die masslose Feindseligkeit der Medien gegen US-Präsident Donald Trump nachzuvollziehen. Seit seinem Amtsantritt haben die Journalisten im Gleichschritt mit den US-Demokraten alles versucht, um die von ihnen als Schock empfundene Wahl von 2016 am Wähler vorbei wieder rückgängig zu machen. Trump wurde als Frauenbelästiger und als Handlanger im Dienste Putins verfolgt. Man dichtete ihm mit fingierten Dossiers Sexorgien in Moskau an. Sogar ein Amtsenthebungsverfahren wurde unter journalistischem Applaus lanciert – alles vergeblich.

Zu beobachten ist das faszinierende Phänomen, wie die Demokraten, eine traditionsreiche Partei, die für sich einen Nimbus intellektueller Überlegenheit geltend macht, jeden Anspruch auf eine inhaltliche politische Auseinandersetzung preiszugeben scheinen, um stattdessen auf den Mann zu spielen. Die Verzweiflungswaffe des Rassismus soll den Todfeind endlich aus dem Weissen Haus entfernen. Interessanterweise finden die heftigsten Rassenunruhen derzeit in demokratisch regierten Städten wie Minneapolis, New York oder Los Angeles statt. Ob das Manöver trotzdem gelingt? Die obsessive Verteufelung Trumps ist für die Linke inzwischen eine Art Programmersatz. Sie dient wohl auch dem Zweck, den Mangel an einem eigenen, wirklich geeigneten Kandidaten zu verdecken. Der Präsident kann sich einigermassen sicher fühlen, solange keine besseren Gegner des Weges kommen.

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