Öffnet die Schweiz!
Von Roger Köppel
Die Schweiz hat den Verstand verloren. Sie wird von Rechthabern regiert.
olange der Bundesrat nicht zugibt, dass der Lockdown ein Fehler war, werden wir diesem Irr-Sinn nicht so schnell entkommen.
Die Regierung handelt wie ein Mieter, der sein Haus anzündet, um im Estrich eine unbekannte Wespensorte auszuräuchern.
Jetzt klopfen sich alle auf die Schultern: «Hurra, die Wespen sind besiegt.» Aber die Schweiz droht abzubrennen. Das ist es, was die Weltwoche seit Wochen als «unverhältnismässig » kritisiert.
Anstatt seine Irrtümer einzugestehen, verbreitet der Bundesrat nützliche Unwahrheiten. Die Panik-Politik aus Bern habe gewirkt und Tausende, wenn nicht Zehntausende von Toten verhindert.
Wo ist der Beweis?
Die Spitäler waren zu keinem Zeitpunkt überlastet. Die extremen Todeszahl-Prognosen waren Humbug.
Unfreiwillig widerlegten auch Forscher der ETH den Bundesrat. Unfreiwillig deshalb, weil sie gleich nach Bekanntwerden ihrer kritischen Befunde die Befunde retuschierten, umschminkten, zurechtbogen. Je grösser die Macht einer Regierung, desto geringer die Bereitschaft zum Widerspruch. Die verstörende Erkenntnis jedoch blieb.
Der Lockdown war unnötig. Die einschlägigen Ansteckungskurven flachten schon vorher ab. Die Ziele des Lockdowns waren erreicht, bevor der Bundesrat am 17. März den Lockdown verordnete.
Ausserordentliche Massnahmen sollten ausserordentlich gut begründet sein. Wenn der Staat so heftig eingreift, braucht es wasserdichte Grundlagen.
Nichts davon war in den letzten Wochen zu sehen. Sogar der Vergleich mit dem journalistischen Lieblingsfeindbild Ungarn fällt unvorteilhaft aus für die Schweiz.
Der vielgeschmähte Viktor Orbán verschaffte sich seine Corona-Vollmachten korrekt per Mehrheitsbeschluss vom Parlament. Der Bundesrat nahm sich seine Vollmachten selber – nach einer vom Parlament verfrüht und unnötig abgebrochenen März-Session.
Auf Ende Monat will Ungarns Premier Orbán seine Vollmachten wieder abgeben. Der Bundesrat denkt nicht im Traum daran, die «ausserordentliche Lage» aufzuheben.
Der bedeutende Zürcher Staatsrechtler Andreas Kley spricht mit Blick auf die Corona-Schweiz von «exekutiver Selbstermächtigung» ausserhalb der Verfassung. Der Bundesrat rechtfertigt sich mit einer Pandemie, die gemäss Intensivärzten für 99,5 Prozent der Bevölkerung glimpflicher verläuft als eine schwere Grippe.
So werden wir die kostspieligen Dummheiten der Regierung weitere Wochen, wenn nicht Monate zu erdulden haben. Die Schweiz bleibt in Geiselhaft ihrer Regierung. So viel Planwirtschaft, so viel Unfreiheit war nie.
Wer sich die Mühe nimmt, die Gastro-Vorschriften des Bundes zu studieren, taucht in einen bürokratischen Albtraum ein. An Plätzen und Flaniermeilen kreisen Polizeipatrouillen. Weite Teile des öffentlichen Raums bleiben abgesperrt. Kultur- und Sportanlässe sind verboten, Kirchen geschlossen. Dafür haften die Steuerzahler für Kredite an die Profiklubs von Lamborghini fahrenden Fussballstars.
Sehenden Auges zerstört der Bundesrat Unternehmen, Existenzen, vernichtet er Volksvermögen und Arbeitsplätze in ungeahntem Ausmass. Die gesundheitlichen Folgen des Lockdowns vor allem für Ältere, denen man Angst einjagte, damit sie zu Hause bleiben, sind gravierend. Und alles nur deshalb, weil sich die Regierung weigert, einen Fehler zuzugeben.
Ganz im Gegenteil. Die irrige Behauptung, die Panik-Politik habe Wunder gewirkt, ist jetzt der Grund, dass sie nicht enden darf.
Sozialismus ist, wenn die Regierungen ihr Ding einfach durchziehen, ohne Rücksicht auf Verluste. Wenn der Staat mit seinen Zielen über allem steht. Wenn nichts erklärt und alles geglaubt wird. Wenn die Medien nicht mehr die Obrigkeit kritisieren, sondern die Kritiker der Obrigkeit verächtlich machen. Sozialismus ist, wenn der Irrtum verlängert wird, um den Irrtum zu rechtfertigen.
Wahrscheinlich hätte es gereicht, von Beginn weg die Gefährdeten in den Altersheimen, die Menschen mit Vorerkrankungen und das medizinische Personal speziell zu schützen. Ob Masken und Distanzregeln für alle wirklich etwas bringen, ist umstritten. Ansteckungen im Freien bleiben unbewiesen. Die Angstkampagne der Behörden, die alles in einen Topf wirft, ist falsch, grotesk übertrieben. Doch der Bundesrat will sich von seinen Irrtümern nicht lösen.
Noch immer verbreitet der oberste Schweizer Corona-Beamte Daniel Koch an seinen Medienauftritten mit unerschütterlicher Grabesstimme Pessimismus. Unbeirrbar warnt er vor dem «grossen Risiko» sommerlicher Partynächte für die Feiernden. Worauf stützt er seine trübsinnigen Diagnosen? Wenig von dem, was Koch in Aussicht stellte, passierte. Um den Lockdown zu verteidigen, warnen sie jetzt in Bern vor einer «zweiten Welle». Gab es wirklich eine erste?
Experten sollen gehört werden, gewiss, aber Experten sind nicht Gott. Und nichts entlastet den Bundesrat von seinen Entscheidungen.
Britanniens Corona-Ikone Neil Ferguson, der Überexperte, musste abtreten, weil er die von ihm selber empfohlenen Corona-Regeln nicht einhielt. Fergusons Imperial College rechnete mit über zwei Millionen Corona-Toten in den USA und rund 500 000 Opfern in Grossbritannien. Nichts davon trat auch nur annähernd ein. Fergusons Computermodelle werden inzwischen von Computerexperten als «total unzuverlässig » verrissen. Sie waren Mitte März mit ausschlaggebend auch für den Lockdown in der Schweiz.
Noch immer fahren wir wegen ein paar Dutzend gemessenen Ansteckungen pro Tag unsere Demokratie an die Wand. Niemand weiss, ob das Abwürgen der Wirtschaft auch nur ein Menschenleben gerettet hat. Die Schweiz hat den Verstand verloren, weil sie von Rechthabern regiert wird.