Weltwoche Editorial 18/20

Editorial

Planwirtschaft

Von Roger Köppel

Die Schweiz kommt sich abhanden mit Corona.

A

llmählich regt sich Widerstand. Unternehmer Nick Hayek wirft dem Bundesrat «Ängstlichkeit» vor. Die letzten Auftritte der Regierung seien eine «Katastrophe». Roche- Präsident Christoph Franz fordert «mehr Mut» beim Ausstieg aus der Seuchenwirtschaft. Die grösste Machtballung des Bundesrats seit 1848 löst auch bei den Leuten zusehends Empörung aus. Inzwischen dämmert es vielen: Das diktatorische Notregime muss enden.

Übertrieben? Nein. Diktatur heisst Entscheidung von oben ohne Vetorecht von unten. Mit dem Coronavirus hat der Bundesrat die Staatsordnung auf den Kopf gestellt, die Parlamente entmachtet, die Bürgerrechte ausser Kraft gesetzt und massive Eingriffe vorgenommen in die Freiheit von Wirtschaft und Eigentum. Rechtfertigungsgrund für diese demokratiezertrümmernden Massnahmen war eine Katastrophe, die bis heute nicht eintrat. Die Frage, ob auf dem Weg der bundesrätlichen Selbstermächtigung alles mit rechten Dingen zuging, beantworten führende Schweizer Verfassungsjuristen mit Nein.

Bleiben wir fair: Am Anfang überschätzten es die meisten. Man hatte ein gewisses Verständnis für den Bundesrat, der einfach schaute, was die anderen machen, und seinen Mittelweg als wissenschaftlich fundierte Strategie verkaufte. Das unbekannte Virus aus den chinesischen Fledermäusen beflügelte die Angstlust der Medien. Immer furchterregendere Gerüchte schafften es auf die Titelseiten der Portale. Die Hysterie gipfelte erst kürzlich in der Meldung, in der Schweiz sei eine gesunde Neunjährige durch das Coronavirus dahingerafft worden. Tatsächlich war die Neunjährige zum Zeitpunkt ihres Todes 109 Jahre alt gewesen. Es gab offenbar ein Problem der Fax-Übermittlung im zuständigen Gesundheitsamt.

Irren ist menschlich, aber wenn der Irrtum systematisch und politisch wird, muss man aufpassen. Die Corona-Panik fusionierte mit der linken Leidenschaft für immer mehr Staat, und die Bundesräte waren dankbar. Zur Ruhigstellung des Publikums gab es tägliche Einschüchterungen mit irreführendem Zahlenmaterial. Vor den Augen der Fernsehzuschauer begannen die Kurven zu flimmern, Infektionsraten, Sterblichkeit, dazwischen Bilder von Särgen aus Italien. Die Nation fieberte mit, wenn Dr. Daniel Koch, der höchste Corona-Abgesandte des Bundes, mit freundlicher Grabesstimme über die dann immer gerade doch nicht eingetretene Überlastung der Beatmungsstationen in den Spitälern dozierte. Vielleicht ist es ja tatsächlich der Arbeit dieses umsichtigen, durch nichts aus der Ruhe zu bringenden Beamten zu verdanken, dass der Ernstfall bis heute ausblieb.

Nur: Die Zweifel wachsen. Es gibt keine Daten, die uns in der tröstlichen Gewissheit bestätigen, dass der Bundesrat verhältnismässig handelte, als er beschloss, die Pandemie, so es denn eine ist, durch eine mutwillig herbeigeführte Wirtschaftsrezession samt weitgehender Narkotisierung des Rechtsstaats zu bekämpfen. Laut neusten Zahlen hat die erste Pandemiewelle von Corona dazu geführt, dass in den ersten siebzehn Wochen dieses Jahrs schweizweit weniger Menschen gestorben sind als in den meisten anderen Jahren seit 2015 im vergleichbaren Zeitraum. Bei den Gesunden unter 65jährigen liegt das Sterberisiko durch Corona praktisch bei null. Eigentlich könnten sie alle zurück an die Arbeit, in die Schule, ins Leben.

Derweil versinkt der Staat im Chaos seiner Planwirtschaft. Ein Hauch von DDR durchweht das Land. Bürokraten regieren in Rätseln. Staatsmacht stumpft ab. Der Etatismus beginnt die Gedanken zu vernebeln. Fast auf den Knien dankten viele Bürgerliche zunächst dem Bundesrat für seine ach so grosszügigen «Hilfen» und «Rettungspakete». Müssen die Unternehmer dem Staat jetzt auch noch danke sagen, wenn sie Ersatz fordern für den Schaden, den ihnen die Regierung mit ihren Anordnungen einbrockt? Der Bund «rettet» gar nichts, er entschädigt nur für die Verwüstungen seiner Politik. Das ist kein Jubelgrund, das ist eine Selbstverständlichkeit.

Liberalismus bedeutet nicht, dass man sich von seiner Regierung widerstandslos die eigene Firma ruinieren lassen muss. Bundespräsidentin Sommaruga leistete sich an einer Medienorientierung den Seitenhieb, sie verstehe nicht, warum Medienkonzerne Kurzarbeit anmelden. Es gebe doch so viel zu schreiben.

Vielleicht versteht sie es wirklich nicht. Die Medien leben auch vom Anzeigengeschäft, das der Bundesrat mit seiner Politik in Brand setzte. Kurzarbeit wiederum ist eine Versicherung, in die Arbeitgeber und Arbeitnehmer genau für solche Notfälle einzahlen. Sommarugas Kritik an der Kurzarbeit für Verlage ist die Kritik des Brandstifters an der Feuerversicherung seiner Opfer.

Es wird jetzt Zeit, aus dem Wahnsinn auszusteigen. Die Schweiz kommt sich abhanden mit Corona. Mit jeder Woche, die der Shutdown länger dauert, verliert die Wirtschaft sechs Milliarden. Die politische Friedhofsruhe ist das Umgebungsgeräusch autoritärer Staaten. Planwirtschaft und Zentralismus breiten sich aus. Bezirzt und fasziniert huldigen die Journalisten den «brillanten Kommunikatoren» Alain Berset und Daniel Koch. Auch Fidel Castro kommunizierte glänzend. Rasend schnell, schneller noch als das Virus, verbreitet sich der faule Zauber charismatischer Herrschaft in der Schweiz.

Warum ist die Schweiz eigentlich von einem Armenhaus in der Mitte Europas zu einem der reichsten Staaten der Welt geworden? Sicher nicht, weil sie dem Zentralismus und der Planwirtschaft gefrönt hätte. Die Schweiz kam nach oben, weil sie auf Marktwirtschaft und Föderalismus setzte. Eigenverantwortung statt Fremdbestimmung. Die Probleme werden dort gelöst, wo sie anfallen. Die Bürger, nicht die Regierenden sind der Chef. Die Macht des Staates bricht sich an der kontrollierten Anarchie einer direkten Volksherrschaft. Das Coronavirus gefährdet Menschen und ist tödlich für die Schweiz. Es infiziert die Politik und zerstört die Freiheit.

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