Weltwoche Editorial 07/20

Editorial

«Fremde Fötzel»

Von Roger Köppel

Hakan Yakin und Tidjane Thiam: zwei exotische Namen im Visier vorurteilsverseuchter Kampagnen.

S

chwappt eine neue Welle fremdenfeindlicher Ressentiments durchs Land?

Ich glaube es tatsächlich.

Natürlich ist der Fall des mittlerweile geschassten Credit-Suisse-Chefs Tidjane Thiam unterlegt mit xenophoben Tönen. Der Mann, der die Schweizer Grossbank sanierte, wird jetzt von den gleichen Leuten, die den Sanierungsfall produziert haben, vom Hof gejagt. Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan.

Nicht, dass der Verwaltungsrat der Traditionsbank aus rassistischen Motiven gehandelt hätte. Aber die Art, wie von oben der Konflikt nobel formuliert zu einer «Frage der Kultur» erklärt wurde, war direkter Ausfluss einer zügellosen rassistischen Medienkampagne, die das Zerrbild eines Bankchefs aus Afrika zeichnete, der um sich herum eine Art Hofstaat mit diktatorischen Anwandlungen, Geheimpolizei, Harem und halbseidenen Managementmethoden (Beschattung) hochgezogen habe.

Natürlich lässt sich vieles auf die schwarze Haut des Angeprangerten projizieren. Tatsache bleibt: Thiam wurde als Aufräumer einer angeschlagenen Firma bewusst von aussen geholt. Wie andere Manager mit ähnlichen Aufgaben und Voraussetzungen brachte er ein Team von Vertrauten mit. Dass er den Umbau der Firma mit peinvollem Personalabbau nicht im Rahmen basisdemokratischer Sit-ins durchziehen konnte, versteht sich von selbst.

Wer einen Durchgreifer verpflichtet, damit endlich einer durchgreift, darf sich hinterher nicht beschweren, wenn der Durchgreifer durchgreift und filzige Behaglichkeiten stört.

Und auch die ach so finsteren Beschattungen, über die Thiam stolperte, sollten nüchtern betrachtet werden, ohne den Fantasiehintergrund vorurteilsverseuchter Schauergeschichten aus dem dunklen Kontinent.

Konkret ging es darum, dass der Verwaltungsrat gegen den Willen des CEO einen hochgestellten Manager bei kürzester Kündigungsfrist wahrscheinlich im Unfrieden zu einem direkten lokalen und globalen Konkurrenten ziehen liess.

Dass das Management um Thiam auf diesen unweisen Entscheid mit hauseigenen Abwehrmassnahmen reagierte, um die Abwerbung anderer Kaderleute und den Transfer von Kundenassets an die Konkurrenz zu verhindern, darf man dem CEO kaum ankreiden.

Thiams Fehler war, dass er sich vom gleichen VR, der den Stress durch die Ruckzuck-Entlassung des Managers erst heraufbeschworen hatte, das Heft des Handelns aus der Hand nehmen liess, als die stümperhaft durchgeführte Spionage am helllichten Tage aufflog.

Falsch war weiter, dass der VR von sich aus die Regie übernahm. Damit gab er dem Skandal, der nur deshalb ein Skandal war, weil die Boulevardmedien Skandal gerufen hatten, erst die Bedeutung, die er nie hätte bekommen dürfen. Durch sein Vorprellen schwächte der VR den CEO. Er liess einen Eiterherd des inwendigen Misstrauens entstehen, der dann blasenbildend die Medienkampagne immer weiter entzündete.

«Afrika», «Diktator », «Autokrat», «Kultur des Misstrauens», «Frauengeschichten »: Man muss kein Spezialist für Rassenfragen sein, um die sumpfige Tendenz der Berichte zu durchschauen. Hängen blieb und ausgebreitet wurde nicht das Einknicken vor dem Boulevard, sondern die «Fremde Fötzel»-Erzählung des «kulturfernen» Afrikaners, der den heilen Paradeplatz angeblich in ein Herz der Finsternis verwandle.

Swissness:Fussballer Yakin, Banker Thiam.

Besonders bitter für Thiam ist, dass er am Ende nicht wegen seiner Leistung gehen muss. Man mag seine Leistung auch kritisieren, aber sie ist höchstwahrscheinlich besser als die Leistung des Verwaltungsrats, der alle Probleme verantwortet, zu deren Beseitigung Thiam ursprünglich geholt worden ist.

Thiam muss gehen, weil er wegen einer Medienkampagne, die mit rassistischen Unterschiebungen spielte, imagemässig zum Fremdkörper gestempelt wurde, sozusagen zur wandelnden Alleinursache und Verkörperung eines angeblich dramatischen Vertrauensproblems, das der Verwaltungsrat doch zumindest mitverursacht hatte. Alles scherbelt.

Ähnlich unfair berichten die Medien über einen anderen Prominenten, der zwar Schweizer ist, aber mit einem türkischen Namen zur ebenso dankbaren Zielscheibe von Vorurteilen und irrigen Vorwürfen schlechtgeschrieben werden konnte.

Die Rede ist von Hakan Yakin, Basler mit türkischen Wurzeln, Ex-Nationalspieler, Ballzauberer und fintenreicher Techniker auf dem Feld, heute im Sold des FC Schaffhausen der landesweit meistkritisierte und zu Unrecht angeprangerte Assistenztrainer der Schweiz.

Sein Verbrechen? Er bezieht Arbeitslosenunterstützung. Ganz legal. Die Arbeitsämter zahlen ihm unter maximalen Abzügen die Differenz zu seinem früheren Lohn als Trainerassistent beim Spitzenklub GC. Da er für den unterklassigen FC Schaffhausen tätig ist, verzichtet Yakin freiwillig auf fast 2000 Franken Lohn pro Monat.

Solche Fakten freilich passen nicht in die Boulevard-Story des angeblich tricksenden Schweiz-Türken, der sich für einen «getürkten » Minimallohn bei einem B-Klub anstellen lässt, um dann auf Kosten der Allgemeinheit den dicken Zapfen abzuholen. Angeblich. Yakin wurde während einer Woche wie ein Grossbetrüger vorgeführt.

Wahrheitsgehalt: gleich null. Yakin hat nichts Verbotenes gemacht. Im Gegenteil: Er hat weit über 100 000 Franken in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt und nimmt nun, wie es ihm zusteht, einen Bruchteil davon zurück, weil er seinen letzten, besser bezahlten Job verloren hat. Vorbildlich sitzt er nicht auf der faulen Haut herum, sondern arbeitet. Würde er nur stempeln gehen, bekäme er deutlich mehr Geld vom Staat.

Man kann kritisieren, dass die Arbeitslosengesetze vielleicht fragwürdige Anreize für die Klubs setzen. Das aber ist weder Yakins Fehler noch Schuld. Der ehemalige Gutverdiener ist nicht Täter. Er ist einfach Opfer von Neid und schlechtem, moralisierendem Journalismus.

Viele rufen jetzt nach mehr Swissness. Das ist gut so. Aber Swissness heisst nicht Volksgemeinschaft mit Ahnennachweis bis zur Schlacht am Morgarten.

Swissness bedeutet: Alle sind willkommen, die es wirklich braucht und die etwas leisten, ungeachtet ihrer Herkunft, Hautfarbe oder Konfession. Es braucht mehr Thiams und Yakins in der Schweiz.

Bilder: Keystone

Beginnen Sie mit der Eingabe und drücken Sie Enter, um zu suchen