NZZ, Roger Köppel chez les Welsches

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Roger Köppel chez les Welsches

Von Antonio Fumagalli, Genf, NZZ

Die Veranstaltung hat noch nicht einmal begonnen, doch Roger Köppel ist schon in seinem Element. «Kommt doch ein bisschen näher. So ist es wärmer – das ist auch besser fürs Klima», ruft der Zürcher SVP-Nationalrat und erntet bereits den ersten Lacher. Dass er die Leute in die Nähe holen muss, ist er wohl nicht gewohnt. In seinem Heimatkanton füllt der begnadete Rhetoriker auch in Kleinstgemeinden ganze Säle.

Hier jedoch befindet er sich am anderen Ende der Schweiz, in einem Vorlesungssaal der Universität Genf. Der Aufruf der kantonalen SVP funktionierte offenbar nur bedingt. Dabei gab sie sich alle Mühe, verschickte drei Mal eine Einladung und vor Wochenfrist gar eine salbungsvolle Mail mit dem Titel «Wer sind Sie eigentlich, Roger Köppel?», die den «Mann hinter dem Politiker» vorstellen sollte. Gekommen sind am Montagabend letztlich – Parteivertreter und Journalisten eingerechnet – nur gut 50 Personen.

Köppel lässt sich davon nicht beeindrucken. Er schmiert den Anwesenden Honig um den Mund, wenn er vom «spirituellen Joint Venture» zwischen den Genfer Calvinisten und den Zürcher Zwinglianern spricht. Er geisselt die Europäische Union, die Bundesbeamten, die «Grün-Marxisten», die Medien und die Klimajugend sowieso. Und er verschont seine politischen Gegner wie immer nicht mit Häme: Der Genfer SP-Nationalrat Carlo Sommaruga erinnere ihn nicht nur wegen seines Bartes an Karl Marx, und der abtretende EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sei nachmittags nur beschränkt ansprechbar, weil er über Mittag zu viel Wein trinke. Das SVP-Sünneli scheint auch in Genf nicht anders. Ungewohnt ist hingegen das Setting: Köppel spricht, wie schon vor wenigen Wochen bei einem Auftritt in Lausanne, auf Französisch – und zwar ganz passabel. Manchmal holt er sich das Publikum zu Hilfe, aber sein Wortschatz ist solide. Der 54-jährige Ständeratskandidat referiert fast eine Stunde ohne Notizen und ohne grössere Unterbrüche. Sein Deutschschweizer Akzent ist allerdings so stark, dass es wirkt, als würde er aus Gründen der Authentizität absichtlich so reden.

Genf ist über drei Stunden Zugfahrt von seinem Wohnort entfernt, die SVP ist dort eine Kleinpartei, und von den Anwesenden darf ihn im Oktober mit ziemlicher Sicherheit kein Einziger wählen. Warum tut er sich das an? Köppel antwortet, dass er ja eingeladen worden sei – und dass es ihm unabhängig vom Publikumsaufmarsch um die Sache gehe. Was er nicht sagt: Für einen, der stetig nach oben strebt, ist es nicht falsch, wenn ihn die Leute in allen Ecken des Landes kennen. Und wenn es nur ein paar Sympathisanten in einem viel zu grossen Vorlesungssaal sind.

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