Neue Zürcher Zeitung

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«Eitle Spasspolitik finde ich peinlich»

Roger Köppel der frisch gekürte Ständeratskandidat der Zürcher SVP, attakiert die Amtsinhaber Ruedi Noser und Daniel Jositsch und will mit dem Klimathema mobilisieren.

Roger Köppel im Gespräch mit Irène Troxler und Daniel Fritsche (NZZ)

Die SVP hat herbe Verluste eingefahren. Als Ständeratskandidat sind Sie das Zugpferd für die Wahlen im Herbst. Wie wollen Sie das Feuer wieder entfachen, Herr Köppel?
Die SVP muss angreifen. Und zwar mit den Themen, die wichtig sind: die Entmündigung des Bürgers durch das EURahmenabkommen, die steigenden Belastungen des Mittelstands und die rotgrüne Umweltdiktatur, die man aufziehen will. Dieses Thema haben wir brutal unterschätzt. Auch ich. Da haben wir bei den Wahlen richtiggehend einen Eiskübel über den Kopf geleert bekommen. Kalte Duschen aber machen wach.

Sie nennen als Erstes das Rahmenabkommen. Ist das nicht viel zu «verkopft », wie der abtretende Parteipräsident Langhart kritisiert hat? Das beschäftigt die meisten Menschen wenig.
Das ist die ganz grosse Gefahr. Alle anderen Parteien wollen die EU als Gesetzgeber in der Schweiz installieren. Fremde Richter mit einem Pseudoschiedsgericht für die Galerie. Sind wir eigentlich verrückt geworden? Die EU könnte uns ihre Mehrwertsteuern aufzwingen, in die Kantone durchregieren und den Stimmbürger entmachten. Hier geht es ans Eingemachte: «Wer macht künftig unsere Gesetze?»

Sie sind ein hervorragender Redner, aber als Intellektueller und Journalist nicht allzu nahe an der Basis. Wie bringen Sie die Themen zu den Bauern und Gewerblern, den klassischen SVP-Wählern?
Diese Frage stelle ich mir gar nicht. Ich versuche einfach, das so rüberzubringen, dass es verständlich ist. Wenn die anderen Parteien das EU-Abkommen schönreden, sage ich deutsch und deutlich, dass sie damit die Demokratie beerdigen.

In den letzten Tagen hatte man wieder einmal den Eindruck, Christoph Blocher ziehe bei der SVP im Hintergrund alle Fäden. Wann kommt die Zeit, den Übervater abzulösen?
Ich bin gegen Altersdiskriminierung. Christoph Blocher ist eine Jahrhundertfigur, das kann man ohne übertriebene Verehrung sagen. Er ist jemand, der in solchen Situationen seine Hilfe und Erfahrung anbietet, und die Lösung, die sein Team vorschlug, ist demokratisch beschlossen worden.

Haben Sie denn auch Ihre Kandidatur, mit der Sie im Januar die eigene Parteileitung überraschten, vorab mit Blocher abgesprochen?
Nein. Das haben Journalisten behauptet. Ich habe die Ständeratskandidatur Ende 2018 ins Auge gefasst, weil wir in Zürich zwei Ständeräte haben, die in entscheidenden Fragen in die gleiche falsche Richtung laufen. Sie wollen die Schweiz der EU unterwerfen, und sie machen mit bei dieser rot-grünen Klimakolchose, die das Gewerbe zerstört und den Mittelstand ausplündert.
Sehen Sie die von Menschen gemachte Klimaerwärmung nicht als Problem an? Viel gefährlicher ist der Missbrauch des Klimawandels durch die rot-grünen Planwirtschafter. Sie wollen ihre marxistischen Leichen aus der Gruft holen und alles diktieren: von der Glühbirne über das Essen, die Fortbewegung und das Wohnen. Diese Leute wollen zurück ins Mittelalter, als nur Reiche und Könige herumreisen konnten.Acht Millionen Schweizer sollen das Weltklima beeinflussen können? Das ist Anmassung, ein Machtrausch. Ich bin nicht gegen Umweltschutz, aber ich bin gegen diese zerstörerische Politik. Ein Skandal ist, dass unsere Lehrer ihre Schüler an diese politisch ferngesteuerten Klimademonstrationen schleppen.

Es gibt auch Kinder und Jugendliche, die aus eigenem Antrieb demonstrieren. Natürlich gibt es die. Aber die Schulen haben einen Auftrag: Aufklärung, nicht Indoktrination. Man soll Umweltprobleme behandeln, aber bitte im Klassenzimmer, mit Rede und Gegenrede. Es ist politischer Missbrauch, diese jungen Menschen an aufpeitschenden Massenversammlungen aufzuwühlen. Ich finde es auch übel, wie dieses arme Mädchen aus Schweden von den linken Klimaideologen instrumentalisiert wird.

Auch Sie springen jetzt auf das Kernthema der Grünparteien auf. Ist das eine kluge Wahlkampfstrategie?
Ja. Die SVP steht für den Mittelstand. Wir sind für die Werktätigen dieses Landes und bekämpfen die Gefahren, die auf sie zukommen. Die Umweltdiktatur ist eine Bedrohung des sozialen Friedens. Schauen Sie mal nach Frankreich. Was war der Auslöser für die Bewegung der «gilets jaunes»? Man wollte das Benzin verteuern. Das trifft die ärmeren Schichten natürlich viel härter. Während die Politiker in Paris selbstverständlich auf Staatsspesen in ihre Teslas steigen.

Was sagen Sie einem Bauern, der besorgt ist, weil er den Klimawandel auf seinen Feldern spürt?
Ihm sage ich: Deinen Feldern helfen wir nicht, wenn wir das Autofahren verbieten und für die Schweizer Energieversorgung auf Windräder setzen. Diese rotgrüne Umweltpolitik ist eine gigantische Geldmaschine auf Kosten des Mittelstands. Dem Klima bringt sie nichts, aber vielen Politikern im Speckgürtel, die sich bedienen. Leider machen viele Bürgerliche mit.

Früher war die SVP eine Partei der Wirtschaft. Heute setzen Sie mit Ihrem Kampf gegen Rahmenabkommen und mit der Kündigungsinitiative den grenzüberschreitenden Handel aufs Spiel. Die Wirtschaft vertreten Sie nicht mehr.
Das behauptet die NZZ. Die SVP steht für das Erfolgsmodell Schweiz, für die Grundlage unseres Wohlstands: Die Schweiz ist die erfolgreichste Selbsthilfeorganisation der Welt. Wir pflegen unseren Garten selber. Der Staat nimmt dir nicht auf Vorrat die Lebenslasten ab. Wenn wir diese Selbstbestimmung an die EU abgeben, geht der Wohlstand flöten.

Sie blenden einen zentralen Erfolgsfaktor der Schweiz aus: den Export, den grenzüberschreitenden Handel.
Wir exportieren seit 700 Jahren. Seit Hunderten von Jahren schliessen wir Verträge ab mit anderen Ländern. Aber das sind Verträge zwischen gleichberechtigten Partnern auf Augenhöhe. Das will die EU nicht. Sie will herrschen, befehlen, uns ihre Regeln aufzwingen, wie ein Imperium. Die Schweizer Wirtschaft aber geht kaputt, wenn wir uns einem fremden Gesetzgeber unterstellen. Die Konzerne, die heute am lautesten die Anbindung fordern, werden die ersten sein, die gehen.

Kommen wir zum anlaufenden Ständeratswahlkampf.
Wir haben bis jetzt über nichts anderes gesprochen.

Mit Daniel Jositsch (sp.) und Ruedi Noser (fdp.) haben Sie zwei übermächtige Konkurrenten. Dass Bisherige abgewählt werden, kommt praktisch nie vor. Wie wollen Sie das «Zürcher Dream-Team», wie es auch schon genannt wurde, schlagen?
Erstens: angreifen und einstecken. Zweitens: Themen vor Pöstchen. Noser und Jositsch sind typische Pöstchenpolitiker, wendehälsig, geländegängig. Politisch sind sie ein Herz und eine Seele. Sie wollen die Schweiz der EU unterstellen. Sie sind für die rot-grüne Umweltpolitik. Noser unterstützt die Gletscherinitiative und ist für diesen Innovationspark in Dübendorf, der Staat und Wirtschaft antiliberal vermischt. Ist das noch Freisinn? Jositsch steht vor allem für sich selber, ein Virtuose des Stimmenfangs ohne Bindung ans SP-Programm. Das ist politische Egozentrik, eine Art Etikettenschwindel. Die beiden Amtsinhaber verkörpern für den Kanton Zürich vom Falschen zu viel und vor allem zweimal das Gleiche. Ich stehe für das andere, das EU-kritische, bürgerliche Zürich, das seine Lebensgestaltung nicht an Balthasar Glättli oder Greta Thunberg abgeben will.

Man könnte auch sagen, die beiden Bisherigen sind perfekte Ständeräte, die manchmal im Sinne einer guten Lösung von der Parteilinie abweichen. Sie hingegen passen mit Ihrer radikalen Haltung schlecht in die ehrwürdige «chambre de réflexion».
Ich bin doch ein hochreflektierter Mensch, wie auch dieses Interview beweisen sollte. Ich finde es gut, wenn dort, wo SP draufsteht, auch SP drin ist, wenn ich weiss, wofür einer steht. Losgelöste Politiker sind Zeitgeistsurfer.

Was haben Sie eigentlich gegen den Innovationspark in Dübendorf?
Das ist eine Soft-Kolchose, die Staat und Wirtschaft unheilvoll vermischt. Hat man denn aus dem Swissair-Debakel gar nichts gelernt? Innovationen müssen im privaten Sektor, im Gewerbe, in den Unternehmen passieren. Der Staat hat sich rauszuhalten. Die DDR-Automarke Trabant war das Resultat staatlicher Innovationskraft. Bitte nicht. Ein Freisinniger, der dabei mitmacht, ist für mich ein Scheinfreisinniger. Das sehen auch viele Freisinnige, die ich kenne, so.

Sie werfen Herrn Jositsch vor, er vertrete nur sich selber. Der Vorwurf trifft doch eher Sie. Sie touren durchs Land mit Vorträgen, haben eine eigene Videoshow, führen nebenbei eine Zeitung. Der wahre Ego-Politiker sind doch Sie.
Das sehe ich anders. Ich bin kein Ämtlipolitiker, ich bin ein Themenpolitiker.Als international erfahrener Chefredaktor, der in die Politik und erst noch in die SVP einsteigt, gehe ich den anstrengenden Weg. Ich spreche auch die unbequemen Themen ausserhalb der Parfümwolke des Mainstreams an. Bundesrätinnen verlassen meinetwegen den Saal, weil sie keine besseren Argumente haben. Meinem Ego ginge es sicher besser, wenn ich auch im Mainstream mitschwimmen würde.

Sie erhalten auch begeistertes Lob, zum Teil aus ganz zwielichtigen Ecken, die Ihnen nicht genehm sein dürften – etwa von Klimaleugnern und Rassisten.
Das sagen Sie. Ich kenne diese Leute nicht. Ich finde es nicht in Ordnung, wenn man einem vorwirft, er habe ein schlechtes Publikum. Und selbst wenn ein Spinner meine Texte gut findet, was kann ich dafür? Ich bringe die andere Sicht in den Herdenbetrieb der Politik ein. Noser und Jositsch verkörpern Meinungseinfalt in den wichtigsten Themen. Ich bringe die Vielfalt. Wir sind nicht in der Politik, um uns gegenseitig Fusszonenreflexmassagen zu verteilen und ständig auf die Schulter zu klopfen.

Dann müssten Sie Ihre andere Sicht künftig aber auch wirklich im Ständerat einbringen. Bisher glänzten Sie im Nationalrat ja vor allem durch Abwesenheit. Sie haben eine der tiefsten Anwesenheitsquoten aller Parlamentarier.
Ich bin ein überzeugter Milizpolitiker und kein Apparatschik. Ich lebe nicht von der Politik; das ist eine grosse Stärke. Ich finde diese Strichlisten und die Präsenzkontrolle peinlich. Unternehmer wie Blocher oder Schneider- Ammann waren auch nicht immer in Bern. Und Sie würden mir sicher zustimmen, dass es beide trotzdem zu etwas gebracht haben.

Die Arbeitslast im Ständerat wird aber noch einmal deutlich höher sein. Da müssten Sie woanders kürzertreten.
Selbstverständlich. Aber über dies mache ich mir Gedanken, wenn es so weit ist. Vertrauen Sie in meine Fähigkeiten der Selbstorganisation im Zusammenspiel mit Familie und Firma.

Chefredaktor der «Weltwoche» könnten Sie dann kaum noch sein.
Diesen Gefallen mache ich meinen Konkurrenten nicht. Aber klar, wenn sie überfordert sind, müssen sie irgendwo kürzertreten. Momentan fühle ich mich pudelwohl.

Als Ständerat wären Sie in erster Linie der Vertreter des Kantons Zürich – und nicht der SVP. Würden Sie zum Beispiel für wichtige Zürcher Infrastrukturprojekte wie den Ausbau des Bahnhofs Stadelhofen in Bern kämpfen?
Die SVP ist die grösste Partei im Kanton Zürich. Insofern wäre es richtig, wenn diese Haltung von einem der beiden Zürcher Ständeräte vertreten würde, etwa die Skepsis gegenüber der EU oder der kühle Kopf in der Umweltpolitik. In Bern braucht es keinen weiteren Kopfnicker. Die Aufgabe eines Ständerats Köppel wäre es, das Richtige zu tun – und nicht einfach nachzubeten, was andere Kantonsvertreter sagen.

Ihre Konkurrenten Noser und Jositsch wurden kürzlich in der Presse als «Rolling Stones» des Politikbetriebs dargestellt. Wie ziehen Sie musikalisch in den Wahlkampf?
Noser und Jositsch verbreiten Partystimmung und sehen sich wohl schon von Groupies umjubelt auf der Letzigrund- Bühne. Ich finde diese eitle Spasspolitik peinlich. Da finden sich zwei offenbar die Grössten. Wir werden sehen. Diesen Tanz ums eigene Ego werde ich stören. Der Kanton Zürich braucht nicht zwei Ständeräte, die sich für Rockstars halten, er braucht mehr bürgerliche Nüchternheit.

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