NATIONALRAT SOMMERSESSION 2021

allgemein

Nationalrat Sommersession 2021

Aktuelle Debatte – Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU

Votum 11

Köppel Roger (V, ZH):
Der 26. Mai 2021 war ein guter Tag, ein Feiertag, eine Sternstunde in der Geschichte der Eidgenossenschaft. Die schweizerische Bevölkerung, die 26 Kantone sowie die Bürgerinnen und Bürger als Souverän unseres Landes dürfen zur Kenntnis nehmen, dass die Regierung ihre Rechte verteidigt hat. Der Bundesrat hat dank seiner entschlossenen Ablehnung eines Anbindungsvertrags an die Europäische Union verhindert, dass eine fremde Macht, die EU, in der Schweiz auf allen Stufen des Gemeinwesens als Gesetzgeber das Recht setzt, und dass fremde Richter über die Schweiz zu Gericht sitzen. Das ist ein wunderbarer Flügelschlag, ein Schmetterlingsmoment unserer Selbstbestimmung und Unabhängigkeit.
Der Bundesrat hat gemerkt, dass die EU und die Schweiz institutionell unvereinbar sind. Die EU ist von oben nach unten, die Schweiz ist von unten nach oben aufgebaut. Man kann unsere freiheitlichen Institutionen – direkte Demokratie, bewaffnete Neutralität, Föderalismus – nicht an einen anderen Staat oder an ein staatsähnliches Gebilde andocken, ohne die Institutionen, welche unsere Schweiz ausmachen, zu beschädigen, zu zerstören. Hier gilt es nun, unseren Behörden zu danken. Wir danken dem Bundesrat, dass er die Kraft und, ja, den Mut gefunden hat, aus diesem Unterwerfungsvertrag auszusteigen. Wir danken speziell den freisinnigen Bundesräten Ignazio Cassis und Karin Keller-Sutter, dass sie den Grundsätzen des freiheitlichen, souveränen und liberalen Bundesstaates, den ihre Partei gegründet hat, treu geblieben sind. Wir danken alt Bundesrat Johann Schneider-Ammann, der sich öffentlich gegen dieses institutionelle Abkommen eingesetzt hat. Wir danken alt Staatssekretär Professor Michael Ambühl und den Staatssekretären Livia Leu und Mario Gattiker, die der Schweiz einen solchen Knebelvertrag nicht zumuten wollten. Diese Patrioten haben auch Nachteile, Kritik und Anfeindungen auf sich genommen, deshalb gebührt ihnen unsere Hochachtung. Wir danken dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund unter der weitsichtigen Führung von Herrn Kollege Pierre-Yves Maillard und Chefökonom Daniel Lampart, die einen Ausverkauf sozialer Errungenschaften nicht zuliessen, und die erkannt haben, dass ohne Souveränität ein Lohnschutz unserer Arbeitnehmer, ein massgeschneiderter Sozialstaat nicht möglich ist.
Wir danken aber auch all jenen Mitbürgern, die sich in immer zahlreicheren Komitees gegen einen Vertrag engagiert haben, der die Schweiz zu einer Rechtskolonie, zu einem Passivmitglied der Europäischen Union herabgewürdigt hätte. Wir hören nun auch in diesem Saal, der Bundesrat habe mit dem Abbruch der Vertragsverhandlungen mutlos gehandelt. Da muss ich Sie fragen: Was ist eigentlich mutig daran, sich als 28. Mitglied auch noch der EU anzuschliessen? Was ist mutig daran, sich unter den angeblich schützenden Mantel der Europäischen Union zu verkriechen, in der Meinung, dann auf immer vor den Verwerfungen und Stürmen der Politik gefeit zu sein? Mutig ist das Gegenteil: der Zukunft im Vertrauen auf die eigene Kraft und das eigene Urteilsvermögen entgegenzuschauen und die Verantwortung des politischen Wollens nicht aus der Hand zu geben.
Selbstverständlich sind wir nicht naiv. Wir wissen, dass der Bundesrat einen institutionellen Automatismus der EU-Rechtsübernahme im Grundsatz noch immer nicht ausschliesst. Die Gefahr ist nicht gebannt. Wachsamkeit und Misstrauen bleiben erste Bürgerpflicht. Trotzdem: Der 26. Mai ist und bleibt ein Tag der Freude und der Dankbarkeit. Der Bundesrat ist seinem Amtseid auf die Verfassung gerecht geworden, auf die Verfassung, in der steht: „Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.“

Votum 13

Prelicz-Huber Katharina (G, ZH): Ja, lieber Kollege Köppel, nach dem Lob an den Gewerkschaftsbund habe ich eine Frage an Sie. Ich bin ja selbst Präsidentin der Gewerkschaft des Personals öffentlicher Dienste und damit Mitglied des Präsidialausschusses des Gewerkschaftsbunds. Nun meine Frage: Können wir nach Ihrem Lob dann in Zukunft gemeinsam für gute Löhne für alle kämpfen, egal, woher die Menschen kommen, und egal, mit welchem Pass? Ich freue mich darauf.

Köppel Roger (V, ZH): Ich kann Ihnen versichern, geschätzte Kollegin, dass die SVP alles unterstützen wird, das dem Wohl und der Wohlfahrt der Bürger dieses Landes dient. Sofern das, was Sie vorschlagen, vernünftig ist, werden wir es auch unterstützen.

Votum 15

Büchel Roland Rino (V, SG): Geschätzter Kollege Köppel, Ihnen wurde soeben eine Frage der Vertreterin des Personals der Öffentlichen Dienste gestellt. Sind die Leute, die dort arbeiten, diejenigen, die unter Hungerlöhnen leiden müssen?

Köppel Roger (V, ZH): Nein, also diese Diagnose würde ich so nicht stellen. Trotzdem bleibt die Schweiz auf gute Leute im öffentlichen Dienst angewiesen. Aber Sie sprechen es an: Wir müssen dort noch keine Topfkollekte lancieren.

Votum 17

Herzog Verena (V, TG): Herr Kollege Köppel, die EU lässt nun seit dem 26. Mai gegenüber der Schweiz unverständlicherweise erneut ihre Muskeln spielen. So droht sie z. B. vor allem der Exportbranche.
Denken Sie nicht auch, dass nun die Schweiz, statt einfach zu kuschen und ihre Werte preiszugeben, auf die Konformitätsanerkennung z. B. unserer wichtigen Medizinbranche pochen sollte und als Bedingung zur Freigabe der Kohäsionsmilliarde darauf beharren sollte?

Köppel Roger (V, ZH): Vielen Dank für diese Frage, geschätzte Kollegin!
Wir müssen uns in der Schweiz einfach bewusst sein, dass Freiheit, Selbstbestimmung und Demokratie ein Sonderfall in der Menschheitsgeschichte sind – immer umstritten, immer bedroht, immer unter Drohung der Ausserkraftsetzung stehend. Wir sehen das auch jetzt wieder mit den Steuerdrohungen der G-7.
Die Schweiz ist eine permanente Willensleistung. Wir müssen die Schweiz und ihre freiheitlichen Errungenschaften immer wieder verteidigen, auch und gerade in diesem Saal. Die Kohäsionszahlungen, die Sie ansprechen, dürfen wir auf keinen Fall und unter keinem Titel entrichten, weil die Schweiz im Bereich der Börse pro forma immer noch diskriminiert wird. Ebenfalls dürfen wir es auf keinen Fall zulassen, dass die Schweiz gezwungen wird, eine Marktzutrittsgebühr an die EU zu bezahlen, wie das die EU fordert. Würden wir das tun, würden die Amerikaner, die Russen, die Chinesen, alle, mit denen wir irgendwie Handel treiben, sofort anfangen, die Schweiz wie eine Milchkuh zu melken.
Wir müssen doch nicht dafür zahlen, dass wir unsere eidgenössische Freiheit und Unabhängigkeit leben. Genau das gilt es in diesem Saal zu beachten!

Votum 26

Köppel Roger (V, ZH): Geschätzte Frau Kollegin Schneider-Schneiter, ich hätte eine Frage an Sie: Das, was Sie erzählen, ist ja in den wesentlichen Punkten das Gegenteil dessen, was Ihr Parteipräsident Gerhard Pfister sagt. Herr Pfister hat dieses Rahmenabkommen deutlich zurückgewiesen, Sie aber haben es immer wieder verteidigt, sowohl in der Kommission als auch anderswo.
Können Sie uns darüber aufklären, welche Position für die Mitte-Partei ausschlaggebend ist? Ist das Ihre Position, oder ist das die Ihres Parteipräsidenten?

Schneider-Schneiter Elisabeth (M-E, BL): Wir haben vor zweieinhalb Jahren in der Mitte-Fraktion ein Positionspapier verabschiedet. Dort haben wir gesagt, dass es ein Rahmenabkommen braucht, dass aber in drei wesentlichen Punkten Lösungen erfolgen müssen. Diese Lösungen konnten nicht erreicht werden – leider. Die Mitte-Fraktion hat aber gemeinsam mit ihrem Parteipräsidenten mitgeholfen, gute Lösungen für eine Institutionalisierung unseres bilateralen Weges zu finden. Lenken Sie nicht ab von Ihrem Versagen!

Votum 41

Köppel Roger (V, ZH): Herr Bundesrat, ich habe eine Frage zum Thema Kohäsionsmilliarde: Wir haben gehört, dass der Bundesrat in Erwägung zieht, diesen Betrag tatsächlich freizugeben. Können Sie uns erklären, warum? Mit dem Abbruch des Rahmenabkommens lebt die Schweiz doch lediglich ihre Freiheit und Selbstbestimmung. Somit ist es ein komplettes Unding, dass wir der EU Geld dafür bezahlen müssen, dass wir die Schweiz sind und bleiben. Wie kommt der Bundesrat auf die Idee, überhaupt nur in Erwägung zu ziehen, dieses Geld – diesen Ablass, dieses Schutzgeld oder wie man es auch immer bezeichnen möchte – zu zahlen?

Cassis Ignazio, Bundesrat: Danke für die Frage, Herr Nationalrat Köppel. Die Kohäsionsmilliarde, das sind zuerst einmal 1,3 Milliarden Franken über zehn Jahre, also 130 Millionen Franken pro Jahr. Dieser Entscheid basiert auf einem Gesetz; das Gesetz heisst „Osthilfegesetz“. Die Begründung dieses Entscheids, den das Parlament bereits getroffen hat, ist, dass wir solidarisch dazu beitragen wollen, dass die osteuropäischen Länder, das heisst die neuen Mitglieder der Europäischen Union, den Wohlstandsgradient überwinden, das heisst, sich einem grösseren Wohlstand in Europa annähern können.
Der Bundesrat und das Parlament haben diesen Entscheid ein erstes Mal vor mehr als zehn Jahren und eben ein zweites Mal vor zwei Jahren getroffen. Das Parlament hat gleichzeitig, neben dem Ja zu diesem Beitrag, auch entschieden, dass kein Geld fliesst, solange wir eine Diskriminierung haben. Die Diskriminierung betraf namentlich die Börsenäquivalenz. Die Börsenäquivalenz war ein Druckmittel der Europäischen Union, um mit dem Rahmenabkommen vorwärts zu kommen. Das Rahmenabkommen ist nun vom Tisch, wir machen also Tabula rasa. Die Europäische Union kritisiert genau wie wir sachfremde, kontraproduktive Verknüpfungen. Wir sind nicht diejenigen, die solche Dinge tun. Deshalb soll jetzt dieser Beitrag in dem Sinne fliessen. Es hat nichts mit Marktzugangsgebühren zu tun.

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