Nationalrat Frühjahrssession 2022

allgemein

Nationalrat Frühjahrssession 2022

Postulat Fischer Roland. Integration der Schweiz in den europäischen Binnenmarkt durch einen Beitritt zum EWR

08. März 2022

Köppel Roger (V, ZH):
Lieber Kommissionskollege Roland Fischer, die SVP bekämpft Ihr Postulat wohlweislich aus historischer Erfahrung.
Leider ist es nicht so, dass der Europäische Wirtschaftsraum das Nirwana der zwischenstaatlichen Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz darstellt. Ganz im Gegenteil! Der Europäische Wirtschaftsraum wurde in einer legendären Volksabstimmung von einer Mehrheit von Volk und Ständen verworfen, weil damals – vielleicht noch nicht ganz so klar wie heute, aber auch schon klar – gesehen wurde, dass eine Mitgliedschaft der Schweiz im EWR das Ende der Schweiz als unabhängiger Staat bedeuten würde.

Insbesondere hinsichtlich der Teilnahme der Schweiz am sogenannten Binnenmarkt liegt, geschätzter Kollege Fischer, ein leider zählebiges Missverständnis vor: Die Schweiz hat, und da haben Sie recht, alles Interesse an einem Marktzugang, an der Möglichkeit, unsere Güter und Dienstleistungen in der Europäischen Union anzubieten, so wie umgekehrt die Europäische Union ein grosses Interesse daran hat, ihre Güter und Dienstleistungen in der Schweiz anzubieten. Auch im Bereich des unbürokratischen Personenverkehrs gibt es da gute Möglichkeiten.
Aber – und jetzt kommt der ganz grosse Unterschied, der in diesem Haus leider zu wenig gesehen wird: Der Binnenmarkt ist etwas ganz anderes als der Markt. Der Markt ist ein Absatzgebiet für Güter und Dienstleistungen, und ein Binnenmarkt ist ein durch Grenzen abgeschlossenes Wirtschaftsgebiet mit einer eigenen Rechtsordnung. Das heisst, ein Binnenmarkt ist sozusagen ein Teil einer staatlichen Ordnung. Durch die Teilnahme am EU-Binnenmarkt würde die Schweiz an fremde Institutionen angedockt, wir hätten nicht mehr die Kontrolle über unser Steuerniveau, wie etwa über die Mehrwertsteuern, ebenso wenig wie über unsere Arbeitsmarktgesetze.

Viele dieser Dinge könnten dann aus Brüssel ferngesteuert werden, ohne dass wir, Herr Kollege Fischer, irgendetwas machen könnten. Das war ja auch der Grund, warum nicht nur die Bevölkerung das abgelehnt hat. So hat denn auch die Aussenpolitische Kommission des Nationalrates – daran können Sie sich vielleicht gar nicht mehr erinnern – die Motion 13.4117, „Strategische Positionen zum Verhältnis der Schweiz zur Europäischen Union“, angenommen, in der es unter Punkt 2 heisst, ich zitiere: „Die Schweiz unterhält mit der EU Beziehungen auf vertraglicher Ebene, insbesondere um den gegenseitigen Marktzutritt zu erleichtern. Aber die Schweiz ist nicht Mitglied des europäischen Binnenmarkts und hat auch nicht die Absicht, dies zu werden.“

Diese Absichtserklärung wurde damals sogar vom Aussenminister, Didier Burkhalter, kopfnickend begrüsst. Der Bundesrat hat ebenfalls beigepflichtet, und diese Gruppe, der Nationalrat, hat diese Motion angenommen, und sie ist nach wie vor richtig. Deshalb, Kollege Fischer, sollten Sie sich nicht für die Wiederaufwärmung, die Reaktivierung, die künstliche Wiederbelebung des EWR einsetzen, sondern Sie sollten sich mit der SVP dafür einsetzen, dass die Schweiz – und hier appelliere ich auch an unseren Wirtschaftsminister, an Herrn Bundesrat Parmelin, lieber Parteikollege, lieber Bundesrat Parmelin – der Europäischen Union endlich unmissverständlich zur verstehen gibt: Wir wollen hervorragende Beziehungen, wir wollen besten Wirtschaftsaustausch, aber wir sind nicht bereit, uns den Institutionen der Europäischen Union zu unterwerfen. Das können wir nicht tun, das wäre gegen die Verfassung. Da sind wir auch gar nicht zuständig, da ist letztlich der schweizerische Souverän verantwortlich. Wir müssen die Kraft haben, der Europäischen Union reinen Wein einzuschenken.
Deshalb empfehlen wir Ihnen nachdrücklich, dieses Postulat abzulehnen.

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Institutionalisierung des Austauschs und der Koordination von Schweizer Akteuren gegenüber China (Whole of Switzerland)

10. März 2022

Köppel Roger (V, ZH):
Wir erleben heute Morgen im Saal, zur Fassungslosigkeit vieler Schweizer, die schrittweise Zertrümmerung der schweizerischen Neutralität. Wir sehen eine schweizerische Politik, die im Zustand der eingebildeten Grossmacht zu leben scheint. Ich muss Sie, Herr Bundespräsident, korrigieren. Sie haben vorhin gesagt: „Les absents ont toujours tort.“ In der Weltpolitik gilt leider das Gegenteil. Im Ersten und im Zweiten Weltkrieg war die Schweiz nicht anwesend. Und im Rückblick hat sich herausgestellt, dass die Abwesenden in diesem Fall recht hatten. Ziehen Sie also aus der Geschichte nicht die falschen Schlussfolgerungen. Die Neutralität ist eben nicht das, was wir uns hier in der geschlossenen Abteilung einreden, sondern die Neutralität entspricht der Wahrnehmung, die die Welt draussen von uns hat. Das ist ganz entscheidend.

Wie nimmt uns die Welt im Moment wahr? Wir sind auf der Liste der feindlichen Staaten von Russland, ob wir das wollen oder nicht, ob wir das anders verstehen oder nicht. Wir haben China entrüstet. China war empört, Herr Bundespräsident, über die China-Strategie der Schweiz, die der Bundesrat im Glauben verabschiedet hat, dass sie in China, in Peking eitles Wohlgefallen auslösen würde. Das Gegenteil war der Fall.

Wir von der SVP möchten dem Bundesrat und einer Mehrheit von Ihnen zurufen: Halten Sie sich zurück, bevor Sie sich die ganze Welt zum Feind gemacht haben! Da sind wir beim Thema dieser neusten Vorstellung hier, eine staatliche Stelle einzurichten, eine Art China-Informationsministerium. Wir brauchen das nicht. Die Schweiz braucht das nicht. Und: Wie hoch ist die Glaubwürdigkeit einer staatlichen Informationsstelle über China, indirekt gesteuert von einem Bundesrat, der sich bereits mit seiner China-Strategie fundamental geirrt hat? Diese Fehlinformationen, die bereits Ursprung der China-Strategie sind, möchten wir nicht auch noch staatlich verbreitet haben.

Wer sich über China informieren will, wer in China geschäftlich tätig werden will, der soll das tun. Wer sich in China politisch engagieren will, wer den Chinesen erzählen will, wie sie ihr Land organisieren sollen – es gibt ja Kollegen unter uns, die der Meinung sind, dass die Schweiz den Chinesen und den Russen zeigen kann, wie es läuft, dass die Schweiz in der Lage ist, im Alleingang Kriege und solche Dinge zu beenden -, wer solche grössenwahnsinnigen Fantasien ausleben möchte, der kann das auf eigene Faust tun. Alle, die konstruktive Beziehungen möchten, die Geschäfte tätigen möchten, auch humanitäre Verpflichtungen und Hilfeleistungen bieten möchten, haben ja die Möglichkeit, sich selber zu informieren.

Deshalb beantragt Ihnen die SVP-Fraktion, dieses Ansinnen zurückzuweisen, auch deshalb, weil es nach dem heutigen Morgen ein dringendes Gebot der Stunde ist, dass sich die Schweiz, dass sich der Bundesrat und dass sich dieses Parlament aus der Aussenpolitik zurückziehen, zurücknehmen, um nicht noch mehr Schaden anzurichten.
Frau Präsidentin, ich glaube, jetzt habe ich die Redezeit eingehalten.

Nationalrat Frühjahrssession 2022

Ausserordentliche Session

10. März 2022

Köppel Roger (V, ZH):
Wir reden heute über die Sicherheit, wir reden über die schweizerische Neutralität, und wir reden über die Kandidatur der Schweiz für den UNO-Sicherheitsrat. Die SVP-Fraktion fordert Sie auf, bittet Sie, sehr geehrter Herr Bundesrat, dieses vor vielen Jahren in sorglosen Zeiten eingereichte Gesuch zurückzuziehen. Der Beitritt zum Sicherheitsrat der Vereinten Nationen würde die Neutralität der Schweiz weiter torpedieren und damit ein unkalkulierbares Risiko für unser Land bedeuten. Die Weltlage macht uns das schlagartig bewusst. Es herrscht wieder Krieg in Europa, existenzielle Fragen der Sicherheit kehren zurück, und ausgerechnet in diesen Zeiten wachsender Unsicherheit verkauft der Bundesrat unsere einzige Munitionsfabrik an Italien. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wachen Sie auf! Das wichtigste Instrument der inneren und äusseren Sicherheit für die Schweiz ist die immerwährende bewaffnete Neutralität.

Stets umstritten, immer wieder für unzeitgemäss erklärt, hat uns diese Staatsmaxime mit erstaunlichem Erfolg durch die Stürme der Geschichte und durch unzählige Kriege geführt.
Neutralität bedeutet:

  1. Die Schweiz mischt sich nicht in fremde Händel ein, sie nimmt an keinen Kriegen teil, auch nicht mit Sanktionen an Wirtschaftskriegen.
  2. Die Schweiz macht nicht mit in politischen oder militärischen Bündnissen, die sie in einen Krieg hineinziehen könnten.
  3. Die Schweiz ergreift im Krieg für niemanden Partei; sie hält sich heraus, und sie hält sich zurück.

Neutralität ist die bedingungslose Gleichbehandlung aller Kriegsparteien. Die Artikel 173 und 185 der Bundesverfassung fordern vom Bundesrat und der Bundesversammlung die Wahrung der Neutralität zur Sicherung der inneren und äusseren Sicherheit unseres Landes.

Neutralität ist anspruchsvoll. Es braucht Mut, sich in kriegerischen Zeiten Zurückhaltung aufzuerlegen und sich nicht vom Strom der Emotionen mitreissen zu lassen.
Neutralität ist Sicherheit, Neutralität ist aber auch nützlich für die Welt. In einer Welt der Kriege braucht es auf der Landkarte einen weissen Fleck, ein neutrales Gelände, wo die Kriegsparteien ohne Waffen miteinander reden können. Das ist, das wäre die neutrale Schweiz mit ihren guten Diensten: eine Friedensinsel, eine Friedenshoffnung in einer kriegerischen Welt.

Herr Bundespräsident, die Schweiz muss zurück zur strikten, immerwährenden Neutralität. Wir müssen raus aus den Sanktionen, wir müssen raus aus der Parteinahme im Wirtschaftsweltkrieg gegen Russland. Zur Neutralität gehört aber auch und vor allem, dass wir auf keinen Fall dem UNO-Sicherheitsrat beitreten. Der Sicherheitsrat entscheidet über Krieg und Frieden, er ergreift Sanktionen, er erlässt bindende Mandate. Die Schweiz muss sich daran halten, auch bei Stimmenthaltung im Konfliktfall.

1981 hat der Bundesrat noch festgehalten: „Die militärischen Massnahmen, die der Sicherheitsrat nach Artikel 42 anordnen kann, […] kommen für einen neutralen Staat alleine schon deswegen nicht in Betracht, weil sie mit dem Neutralitätsrecht in Widerspruch stünden.“ Die Charta der UNO hat sich seither um keinen Buchstaben geändert. Wenn der Bundesrat heute kein Neutralitätsproblem mehr sieht, dann muss er seine Neutralitätsauffassung auf den Kopf gestellt haben.

Die Schweiz ist ein Rechtsstaat, kein Machtstaat. Im Sicherheitsrat aber geben die Grossmächte den Ton an. Sie haben ein Vetorecht, und sie setzen Macht vor Recht. Die Schweiz aber setzt auf das Recht. Sie darf sich der blossen Macht nicht unterwerfen. Der Sicherheitsrat hat keine Armee, seine Kriege führen Nato-Staaten bzw. die Amerikaner. Kollektive Sicherheit und der globale Führungsanspruch der USA schliessen sich aus. (Glocke der Präsidentin) Ich weiss, Frau Präsidentin, Sie zählen jetzt mit dem Sekundenzeiger, aber ich bin der einzige Redner, und ich bin gleich fertig. Unsere Neutralität ist mit der Anerkennung nicht vereinbar. (Zwischenruf der Präsidentin: Wir haben uns auf Kategorie IV geeinigt. Das bedeutet fünf Minuten Redezeit. Sie haben diese fünf Minuten überschritten.) Nur noch ein Satz. (Zwischenruf der Präsidentin: Ich weiss, Sie hätten sich eine andere Kategorie gewünscht. Akzeptieren Sie die Spielregeln!)

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