Im Gespräch mit der Zürichsee-Zeitung

allgemein

«Eine Verkleinerung des Gemeinderats untergräbt das Milizsystem»

Das Interview führte Pascal Münger für die Zürichsee-Zeitung, erschienen am 30.05.2021
Bild:
André Springer

 

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oger Köppel gehört zu den bekanntesten, aber auch umstrittensten politischen Figuren des Landes. Im Interview sagt er, wie er am 13. Juni in Küsnacht abstimmt.

Die wichtigste Frage in Zeiten einer Pandemie gleich zuerst: Wann haben Sie Ihren Impftermin?
Die erste Impfung habe ich bereits erhalten. Die zweite folgt in einigen Tagen. Ich hoffe, dass ich damit dann endlich wieder meinen Beruf richtig ausüben und ohne Schikane ins Ausland reisen kann. Generell bin ich hoch beeindruckt, wie man innert kürzester Zeit Impfstoffe entwickelte. Impfungen sind ein medizinisches Wunder.

Sie wohnen seit über 10 Jahren in Küsnacht. Warum sieht man Sie eigentlich nie an einer Gemeindeversammlung?
Mir fehlt schlicht die Zeit, mich auch noch in der Gemeinde politisch zu engagieren. Auch war der Problemdruck bisher nicht gross genug. Küsnacht ist ja eine Oase, auch wenn es sicher Probleme gibt. Mein politisches Engagement in der Partei ist problemgetrieben: Man muss sich für die Unabhängigkeit der Schweiz gegenüber der EU einsetzen. Weil die SVP leider die einzige Partei ist, die sich konsequent dafür einsetzt, bin ich Mitglied dieser Partei geworden.

Die direkte Demokratie ist ein zentraler Pfeiler Ihrer politischen Philosophie. Eine Gemeindeversammlung ist die ursprünglichste Form der Demokratie. Und gerade dafür haben Sie keine Zeit?
Sie haben natürlich recht. Die Gemeinden und die Lokalpolitik sind die Fundamente der Schweiz. Darum kommen ja die meisten Politiker über die Lokalpolitik nach Bundesbern. Ich bin einer der wenigen Quereinsteiger. Dennoch bleibt es eine Frage des Zeitmanagements. Ich bin ein Milizpolitiker. Neben meinem Engagement in Bern bin ich in erster Linie Verleger und Chefredaktor der «Weltwoche». Ich habe eine Familie und vier Kinder. Und seit November habe ich zudem einen täglichen Podcast zu den aktuellen Themen des Tages, der viel Zeit in Anspruch nimmt.

Sie sprechen das Format «Weltwoche Daily» an. Sie erreichen damit nach eigenen Aussagen mittlerweile rund 40’000 Menschen pro Tag. Warum sind Sie auf das Format Podcast gewechselt? Glauben Sie nicht mehr an den Printjournalismus?
Doch. Sehr. Ich bin ein absoluter Fan des Printjournalismus. Darum haben wir die «Weltwoche» vor einiger Zeit auch rundum erneuert. Das Blatt erscheint in einem neuen Layout, und wir haben den Kulturbereich ausgeweitet. Im letzten Jahr habe ich bei der Lektüre von anderen Zeitungen den Corona-Koller bekommen. Diese Weltuntergangsbegeisterung hat bei mir eine Trotzreaktion ausgelöst. Wir wollen darum mit der «Weltwoche » mehr denn je kritische und andere Sichtweisen sowie Optimismus verbreiten. Mein Podcast ist nur ein weiteres Mittel zum Zweck. Und vielleicht ja sogar meine wirkliche Berufung. Denn ich war bereits in der Schule besser bei den Vorträgen als in den Aufsätzen.

Die «Weltwoche» war lange Zeit das bürgerliche Medium schlechthin. Nun bekommen Sie Konkurrenz aus Wädenswil. Markus Somm hat den «Nebelspalter» gekauft und macht Ihnen die rechte Leserschaft streitig.
Die «Weltwoche» ist nicht auf eine bestimmte Weltanschauung ausgerichtet. Man liest bei uns Vielfalt statt Einfalt der Meinungen. Wir sind aber sicher nicht so links wie die meisten anderen. Dass Markus Somm jetzt seinen Traum einer eigenen Zeitung verwirklichen kann, finde ich grossartig. Natürlich denken wir ähnlich, wir haben eng zusammengearbeitet. Das gibt Konkurrenz, aber vor allem für diesen Monoblock des Mainstreams.

Im Gegensatz zu Ihnen ist Markus Somm nicht politisch aktiv. Ihre Artikel haben immer den Beigeschmack der Parteipropaganda. Fühlen Sie sich als Journalist überhaupt noch ernst genommen?
Klar. In der Schweiz gibt es das Milizsystem. Jeder Politiker sollte auch noch einem anderen Beruf nachgehen. Leider gibt es mittlerweile viel zu viele Berufspolitiker hierzulande. Wenn Sie wie ich bei einer Oppositionspartei mitmachen, dann wird Ihnen nicht der rote Teppich ausgerollt. Das war mir bewusst. Ich muss als Journalist besser sein als andere, weil man mir als Politiker, der nicht im Mainstream mitschwimmt, noch mehr misstraut. Das fördert die Qualität.

Stimmt es eigentlich, dass Christoph Mörgeli, der in Stäfa lebt, Ihr politischer Berater ist und sogar Ihre Tweets und Facebook-Posts schreibt?
Nein, Christoph Mörgeli ist nicht mein Facebook-Manager. (lacht) Es stimmt aber, dass er mich im politischen Bereich unterstützt und mir auch beratend zur Seite steht. Seine Intelligenz, seine Vielseitigkeit, sein Arbeitseinsatz – das ist ausserordentlich. Er gehört zu den besten Leuten, mit denen ich je zusammenarbeiten durfte. Mein Wirken als Chef der «Welt» in Deutschland eingeschlossen.

Wohin führt das politische Engagement von Roger Köppel? Enden Sie wie einst Christoph Blocher im Bundesrat?
Für alle Politiker ist der Bundesrat ein erstrebenswertes Amt. Jeder Nationalrat ist daher ein Lügner, wenn er sagt, er stehe als Bundesrat nicht zur Verfügung. Meine Lebensplanung ist jedoch auf die «Weltwoche» ausgerichtet und nicht auf eine politische Karriere. Weil ich nicht nach höheren Ämtern strebe, muss ich im Parlament kein Blatt vor den Mund nehmen – ich rede Klartext, auch wenn ich andere damit verärgere.

Auch Mitglieder Ihrer eigenen Partei bleiben davon nicht verschont.
Natürlich nicht. Dafür bin ich viel zu sehr Journalist. Kürzlich habe ich die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli dafür kritisiert, dass sie Ferien auf den Malediven macht, während sie der Bevölkerung sagt, sie solle zu Hause bleiben. Ich bin zuerst «Weltwoche»- Chef, dann Politiker.

Kommen wir von Bern nochmals zurück nach Küsnacht. Am 13. Juni stimmen die Bürgerinnen und Bürger darüber ab, ob der Gemeinderat von neun auf sieben Mitglieder verkleinert werden soll.
Ich finde, das ist der falsche Weg.

Das überrascht mich. Gemeindepräsident Markus Ernst (FDP) kämpft für die Verkleinerung, weil es zu viele Abteilungen in der Verwaltung gebe. Auch Sie kämpfen für die Verkleinerung der Bürokratie.
Das ist ein durchaus interessantes Argument, das ich kürzlich auch mit meiner Frau diskutiert habe. Sie besucht übrigens regelmässig die Gemeindeversammlungen in Küsnacht. Das Problem sehe ich darin, dass eine Verkleinerung des Gemeinderats gleichzeitig auch bedeutet, dass die Verwaltung mehr Gewicht bekommt. Das untergräbt unser Milizsystem und gefährdet, was die Gemeindepolitik ausmacht. Das Geerdete und die Nähe zu den Menschen gehen verloren, wenn die Milizpolitiker zurückweichen und das Feld den Berufsleuten in der Verwaltung überlassen.

Nun übertreiben Sie. Wir sprechen nicht von Verwaltungsapparaten wie in Bern oder Brüssel. Es geht um das beschauliche Küsnacht, wo sogar der Gemeinderat selber sagt, es brauche nicht neun Mitglieder.
Wenn in der Schweizer Politik von Effizienz gesprochen wird, dann werde ich jeweils schnell hellhörig. Das bedeutet meistens, dass die Entscheidungen von oben nach unten getroffen werden und versucht wird, durchzuregieren. Das ist nicht mein Verständnis der Schweizer Politik und macht mich misstrauisch. Nochmals: Das Milizsystem ist ein wichtiges Instrument, das in erster Linie auch auf lokaler Ebene genutzt werden soll. Die Politik muss nicht professionalisiert werden.

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