Der Zürcher Bote

allgemein

Geringschätzung der Bürger, Überschätzung des Staates

Zwei Grundlagenirrtümer des CO2-Gesetzes bedrohen die Urteilsfähigkeit und Selbstbestimmung der Bevölkerung: die Geringschätzung der Urteilsfähigkeit der Bürger und die Überschätzung des Staates.

Von Roger Köppel, erschienen im „Der Zürcher Bote“ am 28. Mai 2021

Ich sehe im CO2-Gesetz, über das wir demnächst abstimmen werden, zwei Grundlagenirrtümer. Setzen wir einmal voraus, wir seien – wie von den Befürwortern behauptet – tatsächlich auf dem Weg zu einer unaufhaltsamen Klimakatastrophe. Ich glaube das nicht, aber teilen wir einmal ihre Meinung, unser Leben und das unserer Kinder sei durch den Klimawandel tatsächlich existenziell bedroht. Wenn wir diese Meinung vertreten, wenn wir einräumen, dass das stimmt: Warum in aller Welt müssen wir dann den Bürgerinnen und Bürgern von Staates wegen vorschreiben, wie sie sich zu verhalten haben? Wenn es stimmen würde, dass uns diese Klimakatastrophe bevorsteht, müssten dies die Leute ja auch merken. Doch dieses CO2-Gesetz spricht den Schweizern im Grunde die Mündigkeit ab.

Denn wir Menschen neigen ja nicht dazu, unser eigenes Unglück willentlich heraufzubeschwören. Wenn also die Bedrohung so gewaltig ist, wie es Politiker, Wissenschaftler und Journalisten brandschwarz an die Wand malen, dann wäre doch der Mensch am besten beraten, wenn er freiwillig ein anderes Auto kauft, seine Ernährung umstellt, Energie spart, die Wohnung isoliert oder sich eine klimafreundlichere Bleibe sucht.

Mündigkeit abgesprochen

Dieses Gesetz aber zeugt von einer institutionalisierten Überheblichkeit, es ist ein Affront, weil es uns die Selbstverantwortung abspricht, unsere Lebensrisiken selber abzuschätzen und unsere eigenen Entscheidungen zu treffen. Mit dem CO2-Gesetz will uns der Staat übernehmen im Glauben, der Mensch müsse gelenkt und in die richtige Richtung gesteuert werden. Doch in der Schweiz sind wir bislang davon ausgegangen, dass die Leute selber wissen, was für sie gut ist. Und wenn sie nun einmal nicht an diese Katastrophe glauben, dann kann man ihnen diesen Glauben nicht per Gesetz einprügeln. Möglicherweise ist die Tatsache, dass wir überhaupt ein CO2-Gesetz machen müssen, ein Beweis dafür, dass die Leute nicht an diese Klimakatastrophe glauben.

Das zweite Problem neben dieser Bürgerverachtung ist eine durch nichts zu rechtfertigende Staatsgläubigkeit. Das CO2-Gesetz nimmt Macht und Geld von den Bürgern weg und überträgt beides dem Staat. Dies in der Hoffnung, dass der Staat «Lenkungsabgaben» – dieser Begriff sagt ja schon alles – erhalten und uns damit lenken soll. Der Staat wird zum Meisterlenker und Chefplaner unseres Glücks und unseres Lebens. Simonetta Sommaruga soll uns ins grüne Glück einer klimakatastrophenbefreiten Zukunft führen. So lautet die strahlende Ansage dieses CO2- Gesetzes! Wer glaubt hierzulande eigentlich tatsächlich, dass dieser Staat zu einer derart grossangelegten, weltweit koordinierten, über Jahrzehnte andauernden Lenkungstätigkeit imstande ist? Ein Staat, der ja in der Coronakrise bewiesen hat, dass er nicht einmal seine eigenen Pandemiepläne umsetzen kann. Eine staatliche Planung, die zu nicht vorhandenen Masken, allzu wenigen Intensivpflegeplätzen, einem Mangel an Impfstoffen und kreuzfalschen Prognosen führte. Aber jetzt will der Staat plötzlich in der Lage sein, die Menschen ins Klimaglück zu führen.

Verfehlter Glaube an den Staat

Der gleiche Staat, der nicht einmal die staatliche Postauto AG im Griff hatte, soll neuerdings das Weltklima im Griff haben? Das glaubt in Wirklichkeit niemand, das glauben auch die Journalisten nicht, die Wissenschaftler nicht, die Politiker nicht, ja, das glauben wohl nicht einmal die Bundesräte selber. Doch sie behaupten es wider besseres Wissen, weil eben jene gut ankommen, die bei diesem ganzen CO2-Klima-Zirkus mitmachen.

Aber diese beiden Grundlagenirrtümer – die Geringschätzung der Urteilsfähigkeit der Bürger und die Überschätzung des Staates – zeigen, dass es beim CO2-Gesetz nicht einfach darum geht, ob wir unserem Leben etwas mehr finanzielle Belastungen aufbürden und dem Staat etwas mehr Befugnisse einräumen wollen. Es geht bei diesem Gesetz um viel Wichtigeres. Es geht um eine grundsätzliche Richtungsentscheidung: Glauben wir noch daran, dass der Mensch selber entscheiden kann, seinen eigenen Untergang zu vermeiden? Oder sind wir der Meinung, dass man dem Staat die Verantwortung für unsere Zukunft überlassen soll.

Ich persönlich vertraue den Bürgern mehr als dem Staat. Für mich ist die Schweiz mit ihrer direkten Demokratie – der Staatsform des institutionalisierten Misstrauens gegenüber dem Staat – das Gegenmodell zum CO2-Gesetz. Doch dieses Gesetz führt zu einer Umkehr des bisherigen Erfolgsmodells Schweiz: Bei der Klimafrage ist es der Staat, der uns Bürgern misstrauisch begegnet.

Nur ein wuchtiges NEIN kann hier die richtige und die schweizerische, freiheitliche Antwort sein.

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