Aussenpolitische Strategie 2020 – 2023

allgemein

Nationalrat Frühjahrssession 2020

Aussenpolitische Strategie 2020 – 2023

Votum Roger Köppel

Hinter der aussenpolitischen Strategie dieser Legislatur steckt viel Arbeit und Fleiss des Aussendepartementes. Ich habe Ihr Vorwort, Herr Bundesrat Cassis, gerne und mit Zustimmung gelesen. Auch die Grundlagen, auf die Sie sich stützen, gefallen uns. Als Kernauftrag der Aussenpolitik wird „die Förderung unserer Interessen und Werte“ genannt. Damit sind wir völlig einverstanden. Es wird der Zweckartikel 2 der Bundesverfassung zitiert, wonach die Eidgenossenschaft die Freiheit und die Rechte des Volkes schützt und die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes wahrt. Das ist ausgezeichnet. An diesem Zweckartikel müssen wir aber auch die folgenden 38 Seiten messen. Und da stelle ich fest, dass vieles – sehr vieles! – nicht mit diesem Zweckartikel übereinstimmt, ja ihm offen widerspricht.
Sie pochen auf Rechtsstaatlichkeit. Recht gehe über Macht. Das ist richtig. Aber dann müsste man vonseiten des Bundesrates noch viel entschiedener die internationalen Soft Laws bekämpfen. Denn sie sind das Gegenteil von Rechtsstaatlichkeit, indem sie sich schleichend und wie eine Qualle an den demokratischen Institutionen vorbeiquetschen. Dass der Bundesrat als oberstes Ziel der thematischen Schwerpunkte der Aussenpolitik die Einsitznahme in den UNO-Sicherheitsrat anstrebt, finden wir, entschuldigen Sie die Formulierung, etwas erbärmlich. Wir können überhaupt nicht nachvollziehen, wie Sie im Kreis der Atommächte mit ihrem Vetorecht, im Kreis mancher Unrechtsstaaten über Krieg und Frieden oder über die Hungerwaffe der Sanktionen entscheiden wollen und dabei gleichzeitig behaupten, die Schweiz bleibe neutral.
Im Europakapitel vermissen wir die anfänglich zitierte Förderung unserer Interessen und Werte. Wahrscheinlich ist es schon falsch, unser Verhältnis zur EU als Schlüsselfrage der Aussenpolitik hochzustilisieren. Es ist schön, dass die grösstmögliche Eigenständigkeit beim Zugang zum EU-Binnenmarkt gewahrt werden soll, und es tönt lieblich, wenn behauptet wird, es gehe darum, den bilateralen Weg zu konsolidieren und weiterzuentwickeln. Aber sehen wir doch endlich den Tatsachen ins Auge: Das vom Aussendepartement ausgehandelte institutionelle Rahmenabkommen beendet den bilateralen Weg; denn dieser ist nur unter gleichberechtigten souveränen Partnern, die sich auf Augenhöhe begegnen, möglich. Genau diesen Weg aber will die EU nicht fortsetzen. Sie verlangt von der Schweiz die Übernahme von EU-Recht. Brüssel installiert sich hierzulande als Gesetzgeber, EU-Richter sollen abschliessend Recht sprechen. Die Ereignisse dieser Tage zeigen mit aller Deutlichkeit, dass devote Demutsgesten, Unterwerfungsrituale und Brüsseler Bittgänge unsere nationalen Interessen nicht stärken, im Gegenteil: Wer sich kleinmacht, wird noch kleiner gemacht. Die Anbindung taugt nicht als aussenpolitische Maxime. Wir dürfen nicht akzeptieren, dass uns andere ihre Regeln aufzwingen.
Während der Bundesrat beim institutionellen Rahmenabkommen seine drei roten Linien einzig beim Kleingedruckten des Vertrages gezogen hat, zeigt uns der Brexit, wie man es anders machen kann und anders machen muss. Der britische Premierminister Boris Johnson zieht die roten Linien genau dort, wo sie gezogen werden müssen. Er lehnt die Rechtsübernahme und fremde Richter kategorisch ab, denn das Vereinigte Königreich wird wieder zu einem souveränen Staat. Grossbritannien wird seine Gesetze eigenhändig erlassen und lässt sich diese nicht von EU-Richtern korrigieren oder gar aufzwingen. Grossbritannien hat die gewaltige Kraft, aus der Fehlkonstruktion EU auszutreten und seine Unabhängigkeit wieder herzustellen. Haben wir Schweizer wenigstens das bisschen Kraft, uns der Fehlkonstruktion EU nicht unterzuordnen!

Quelle: Die Bundesversammlung – Das Schweizer Parlament

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